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Bellowulf und Grummel

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Bellowulf und Grummel

Eine humorvolle Fantasy Geschichte

Adaptiert von der berühmten englischen Erzählung „Beowulf und Grendel“ – Ein altenglisches Heldenepos, das in einer einzigen Handschrift überliefert und etwa um das Jahr 1000 verfasst wurde

Die Burgtürme ragten immer höher und höher in den strahlend blauen Sommerhimmel hinein und die zuvor winzigen Burgzinnen wirkten nun wie riesige Steinklötze im harten Anthrazit, als die Krieger das Tor erreichten.

Während sie gekonnt von ihren Pferd sprangen, deren Zungen bereits weit aus dem Maul hingen, war die Ankunft der Krieger bereits bemerkt worden.

„Wer dort?“

„Hier ist Bellowulf mit seinen Gefolgsleuten. Wir kommen auf Geheiß des Königs Roger!“

„Wer ist dort?? Bellowuff? Der legendäre Held, dessen unglaublichen Geschichten ihm stets vorauseilen und mit Liedern auf der ganzen Welt besungen werden?“, rief der Torwächter von den Zinnen erstaunt.

„Nein, verdammt, hier ist Bellowulf, nicht Bellowuff! Und nun mache er schon das Tor auf! Wir haben nicht ewig Zeit und unsere Bäuche wünschen gefüllt zu werden mit köstlich duftendem Wildschwein oder zartem Rehfleisch.“

Das riesige Burgtor öffnete sich. Die Ketten quietschen unerträglich und mischten sich unter dem Getrampel vieler Füße auf knarrenden Holzplanken.

Wenige Minuten später stand Bellowulf vor König Roger, welcher gemächlich auf seinem Thron ruhte und sich geflissentlich die Ohren von einer gut aussehenden Dienerin massieren ließ.

„Seid gegrüßt, Bellowulf. Herzlich Willkommen auf meiner Burg. Ich hoffe, Ihr habt Euer Gefolge in unserer Wirtschaft untergebracht?“

„Habt Dank für die großzügige Gastfreundschaft. Aber nun sagt, wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen? Waren es nun sechs oder sieben Jahre?“

„Das kann sehr gut möglich sein. Als wir uns das letzte Mal trafen, habt ihr den Fall der Wassernymphe bearbeitet, die unschuldige Opfer in verschiedene Teiche zerrte. Es war ein hartes Stück Arbeit, bis wir die Schuldige gefunden hatten“, erinnerte sich der König.

Bellowulf warf seine Ohren gekonnt nach hinten. „Doch nun verratet mir endlich, warum Ihr mich gerufen habt.“

„Ich habe Euch und Eure Gefolgsleute hergerufen, weil hier auf meiner Burg ein grässliches Monster sein Unwesen treibt. Es kommt herbei und nimmt mehrere meiner Männer mit sich. Es floss nicht einen Tropfen Blut und es verschlang meine Männer auf befremdlichste Art und Weise, wie mir von den Zeugen berichtet wurde, die einen Angriff des Ungetiers überleben konnten.“

„Darf ich die Zeugen vielleicht selbst sprechen?“, wollte Bellowulf wissen und der König ließ einen herbeirufen.

Der Zeuge betrat den Raum auf leisen Pfoten. Immer wieder blickte er sich um, als könnte jeden Moment das Monster aus der Ecke hervorspringen und ihn fressen.

„Mein Name ist Bellowulf. Ich bin von König Roger dazu beauftragt worden, den Fall um das Monster zu lösen. Nun berichtet, was habt Ihr gesehen?“

„Ihr… ihr seid Bellowuff, der legendäre Held?“

„Bellowulf, verdammt nochmal! Bellowulf!“

„Verzeiht mir mein Missgeschick. Ich werde nun besser alles berichten und Euch mitteilen, wie wir dem Grummelmonster das erste Mal begegnet sind“, sagte der Zeuge.

„Wieso Grummel? Das ist ein höchst seltsamer Name.“

„Es war ein herrlicher, aber auch heißer Sommertag und wir gingen in das kühle Kellergewölbe, um ein Fass Wein hinauf in die Stuben zu bringen“, fuhr der Zeuge fort. „Dann kam das Monster hervor! Es hat fürchterlich gegrummelt, als es auf uns zurollte. Es grummelte so laut, dass uns das Mark in den Beinen gefror. Wir haben es dann angegriffen und mit Speeren geworfen, aber sie verschwanden in dem Monster, ohne das Geringste zu bewirken. Dann haben wir mit Schwertern auf Grummel eingeschlagen, aber auch dies hat nichts bewirkt. Es war, als würden unsere Waffen nur in Watte eintauchen. Aus dem Grund glauben wir, dass es sich hierbei um einen Geist handele, den man nicht verletzen könne. Ein übel gelaunter, dicker Geist, der Menschen frisst.“

„Wie kommt Ihr darauf, dass es Menschen frisst?“, fragte Bellowulf nach.

„Als wir keine Kraft mehr besaßen, um weiter auf das Grummelmonster einzuschlagen, da kam es auf uns zugerollt und… und… es rollte einfach über uns drüber. Es war grauenhaft. All meine Freunde verschwanden in dem Vieh!“

„Nun gut“, erwiderte Bellowulf und wandte sich daraufhin wieder dem König zu, „existiert noch ein weiterer Zeuge? Ihr erwähntet doch mehrere Angriffe des Monsters.“

„Richtig, es gab noch eine Magd, die dem Monster davonlief, als es im Kellergewölbe auftauchte.“

„Wo kann ich diese Zeugin befragen?“

Der König raufte seinen grauweißen Bart und dachte nach: „Ich vermute, Ihr könnt sie in der Küche antreffen.“

Zehn Minuten später fand sich Bellowulf in der Küche wieder. Es herrschte ein großes Treiben, denn der Abend war angebrochen und das Abendbrot wurde vorbereitet. Heute sollten wieder mal viele Gäste bewirtet werden, denn Bellowulfs Gefolgsleute besaßen einen Bärenhunger.

„Ihr seid die Magd, die das Monster gesehen und dies überlebt hat? Bitte berichtet.“

„Wie Ihr wünscht, Herr. Ich ging in das Kellergewölbe, um Gemüse aus den kühleren Räumen nach oben in die Küche zu bringen. Dabei fiel mir etwas Seltsames auf. Ich hörte ein Stöhnen und Grummeln, als würde sich jemand tierisch anstrengen. Daraufhin ein Poltern und Wasserplätschern. Ich rief: Wer ist da? Aber ich erhielt keine Antwort. Dann bin ich in die Richtung gegangen und rief noch einige Male, bis plötzlich ein riesiges Monster auf den Gang gerollt kam! Es war hässlich und bestand nur aus einer seltsamen Mischung aus Haaren, Ästen, Holzsplittern von zerbrochenen Stühlen, Kleidungsstücke, Gras und anderen Dingen, die ich nicht mehr erinnern kann.“

Bellowulf schaute sich prüfend in der Küche um.

„Ist Euch noch etwas anderes aufgefallen? Habt Ihr denn keine Beine oder ein Gesicht erkennen können? Oder gar ein großes Maul oder Ohren?“

„Ich bin nicht sicher, aber ich glaube nicht. Nur dieser seltsame Wust aus den verschiedensten Dingen. Ich glaube, es stöhnte so laut, als würde es sich unglaublich anstrengen müssen, um sich fortzubewegen. Ich floh, so schnell ich konnte, wieder nach oben, aber es folgte mir dorthin zu meinem Glücke nicht.“

Nach der Befragung eilte Bellowulf zu seinen Gefolgsleuten.

„Männer! Hört mir zu. Morgen in der heißen Mittagsonne ist unser großer Tag! Wir werden das Monster besiegen und diese Burg von ihrem Übel befreien!“

Die Männer jubelten und erfreuten sich an dem Kampf, der am kommenden Tag folgen sollte.

Als sich die Sonne in den Zenit schleppte, ihre unbarmherzigen, heißen Strahlen auf die Burg warf und die Bewohner gehörig Ausschau nach einer neuen Erfrischung hielten, klapperte bereits Kampfgeschirr und ohrenbetäubendes Getrampel über den Burghof in Richtung Kellergewölbe, um das Grummelmonster zu stellen.

Bellowulf hatte sich genau eingeprägt, an welcher Stelle die Magd Grummel das letzte Mal erblickt hatte und sie legten sich auf die Lauer.

Sie brauchten nicht lange warten…

Als sich die treuen Gefährten von Beowulf postiert hatten und ihre Schwerter zogen, warteten sie geduldig auf den Zeitpunkt, wenn die Sonne in den Zenit rückte. Nach einigen Minuten vernahmen die Männer ein lautes Rumpeln und Gestöhne.

Plötzlich schoss auch schon aus einem der Räume ein riesiger Ball heraus! Man vernahm deutlich ein Bersten von Möbeln und ein befremdliches Knautschen und Knarren anderer Gegenstände.

Zwei seiner Krieger stürmten mit Geschrei auf das Grummelmonster zu, aber sie verschwanden kurz darauf in dem riesigen Ball und waren nicht mehr gesehen.

Anstatt sein Schwert aus der Scheide zu ziehen, zaubert Bellowulf eine riesige Schere aus seinem Wamst und prüfte gelassen ihre Schärfe. Sein treuester Begleiter Rexo schaute irritiert auf die riesige Schere und schüttelte mit dem Kopf.

Bellowulf sprang aus seinem Versteck hervor und rannte schreiend mit den anderen Männern auf Grummel zu. Mutig tauchten sie hinab in den undefinierbaren Wust, während Bellowulf fürchterlich zu schneiden und zu schnibbeln begann. Das Loch wurde immer größer und irgendwann sahen sie sich dem großen Kopf eines Schafes gegenüber!

Das Schaf blickte dankbar auf Bellowulf hinunter und schien wie aus einer benebelten Trance zu erwachen.

Immer mehr Wolle fiel von dem Schaf zu Boden und kurze Zeit später standen auch wieder die einst verschwunden Männer des Königs im Kellergewölbe herum.

Bellowulf hatte es geschafft, das Monster mit einer List zu besiegen!

Als die Männer das Schaf endlich komplett geschoren hatten, kehrten sie zurück in die königlichen Gemächer. Dort befragte der König Bellowulf nach der Lösung des Falls.

„Nun, Euer König, der Fall war nicht schwer zu lösen. Bei dem Grummelmonster handelte es sich um ein Schaf, das einen Hitzeschlag erhalten hatte. Es fiel in Raserei, weil es dort unten vergessen und seit Jahren nicht geschoren wurde. Es konnte die Hitze nicht vertragen, insbesondere nicht am Mittag, wenn die Sonne am höchsten steht. Es lief dann Amok und überrollte alles, was ihm in die Quere kam. Jede Bewegung war dann eine Anstrengung, aber es wollte eigentlich nur endlich geschoren werden.“

Der König nickte zufrieden und sie feierten ein großes Fest, denn das Grummelmonster war endlich besiegt worden.


Eine Kurzgeschichte von © Jonathan Dilas, 2008
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