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Bestiola arcana inter litteras

Die Tastaturkarawane - Kurzgeschichte

Bestiola arcana inter litteras

In den letzten Monaten bin ich einem Phänomen nachgegangen, das unglaublicherweise seit unbestimmter Zeit unter uns weilt, aber nie jemandem auffiel. Ich bin überzeugt, damit eine der unglaublichsten und auch verrücktesten Entdeckungen gemacht zu haben, die man in unserer Zeit, in der die Wissenschaft beinahe alles erforscht zu haben scheint, überhaupt machen kann. Aller Wahrscheinlichkeit nach habe ich damit ein neues, spektakuläres Forschungsgebiet eröffnet und dessen Konsequenzen sind im Moment noch nicht abzusehen. Nicht, dass es unbedingt Konsequenzen für unser Leben hätte, aber gewiss müsste einiges in unserer Welt, bzw. in der biologischen Forschung revidiert werden. Am besten berichte ich erst einmal vom Moment der Entdeckung und dann über den Forschungsvorgang und die Ergebnisse:

Es war eigentlich ein Zufall, wie ich diese Entdeckung machte, über die ich im weiteren sprechen und hier vorstellen möchte. Während ich wie so oft etwas mit meiner Tastatur in den Computer schrieb, sah ich eine flüchtige Bewegung vor meinen Augen. Es schien, als flog oder schwebte etwas recht schnell an meinen Augen vorbei in Richtung Tastatur. Ich hatte mir nichts dabei gedacht, aber einige Zeit später hatte ich mir eine Digitalkamera zugelegt, mit einer starken Makrofunktion und einer hohen Auflösung. Aus Spaß machte ich eine Probefotografie von meiner Tastatur und hätte nicht gedacht, daß bereits eine unerhebliche Nähe zur Tastatur mit der Makrofunktion solch ein Ergebnis liefern würde.

Bild 1

Ich weiß nicht, ob Sie sich schon mal Ihre Tastatur näher betrachtet haben. Was ich jedenfalls sah, als ich mir meine näher betrachtete, war doch schon ein wenig peinlich. Aber glauben Sie mir, Ihre Tastatur ist auch nicht die sauberste! Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber ich habe mit Schrecken erkannt, dass sie wirklich nicht porentief rein war, auch wenn ich ab und zu mit einem Lappen darübergegangen war.

Bild 2

Na ja, was soll ich sagen, ich sah mehr als nur Tasten, Buchstaben und Cremeweiß, sondern auch Kakao-, Kaffee- und Teeflecken, sowie kleinste Staubpartikel und andere undefinierbare Spurenelemente von was weiß ich. Anscheinend ist das normal, wenn man viel schreibt.

Während ich noch staunend die ein wenig unsaubere Tastatur betrachtete, wollte ich ein wenig die Möglichkeiten des Zooms testen. Ich zoomte also weiter in die Tastatur hinein.

Bild 3

Nachdem ich das letzte Bild in den Computer geladen hatte, habe ich in Verbindung mit der Makrofunktion, der Kamera und dem Computer eine Technik entwickelt, die es mir erlaubte, noch weiter in das vorhandene Bild hineinzuzoomen. Also habe ich weitere Aufnahmen gemacht mit stetig zunehmender Makrovergrößerung des Bildausschnittes im Frame.

Bild 4: Makro-Zoom Stufe 6

Nachdem eine neue Linse gesetzt wurde, sah ich plötzlich die Ursache für das Leuchten. Es schienen kleine Pünktchen zu sein, die ein Leuchten erzeugten, aller Wahrscheinlichkeit nach völlig selbständig. Deutlich sieht man, dass die drei leuchtenden Punkte links ein silbernes Licht und die rechten, ein goldenes Licht erzeugen. In einer schwächeren Vergrößerung wirkt es mehr hellrot. Das ist aber nur die Vermischung beider Farben, weil die Ursache so klein ist, dass sie die zwei Farbstrahlungen zu einer macht. Das Auge kann derartig kleine Lichtquellen nicht mehr trennen.

Bild 5: Makro-Zoom Stufe 20

Eine weitere Vergrößerung deutete darauf hin, dass es kein von der Tastatur erzeugtes Licht war, sondern von einer davon unabhängigen Quelle ausgestrahlt wurde. Mit einem Messgerät erkannte ich, dass die Tastatur eine Voltzahl von 5 Volt und 200 Milli-Ampere benötigt, um funktionieren zu können. Diese Voltzahl erhält sie durch ein Kabel, dass sie mit dem Motherboard des Computers und somit mit dessen Netzteil verbindet. Bei einem sehr empfindlichen Messgerät entdeckte ich, dass eine nagelneue Tastatur eine konstante Eingangsstromzufuhr und Ausgangsstromleistung von 5,003 Volt besitzt.

Meine gebrauchte Tastatur besaß ebenfalls eine Stromeingangszufuhr von 5,003 Volt, ABER eine Ausgangsstromleistung von 5,001 Volt! Das hieß, dass das Glühen dieser leuchtenden Punkte durch die Absorption dieser fehlenden 0,002 Volt entsteht. Diese Überlegungen brachten mich zu der Überzeugung, dass es sich hier um eine unbekannte Lebensform handelt, die sich von einer konstanten Strommenge, bzw. einem konstanten elektromagnetischen Feld, von 0,002 Volt, ernährt. Untersuchungen von anderen technischen Geräten ergaben keinerlei Ergebnisse in Bezug auf diese kleine Lebensform.

In diesen Untersuchungen überprüfte ich Fenster, Türen, Teppiche, Heizkörper, Nahrungsmittel u.v.m., aber fand dort keine Spuren von diesen Wesen. Höchstwahrscheinlich aus dem Mangel an einer konstanten Stromzufuhr. Im Gegensatz dazu untersuchte ich auch andere technische Geräte mit einer höheren Stromzufuhr wie einen Föhn, Fernseher, Radio, Mixer etc., aber auch hier ohne Ergebnis. Aus diesem Grund bin ich zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Wesen sich nur in technischen Geräten aufhalten, die eine Stromzufuhr von 5 Volt und 200 mA besitzen. Leider verfüge ich über kein Gerät mit diesem Strombedarf und habe mich deshalb nur auf die Untersuchungen bezüglich meiner Tastatur beschränken können. Weitere Untersuchungen auf diesem Gebiet sind von mir hiermit erlaubt, FALLS diese Ergebnisse auch an mich weitergereicht werden. In Planung steht ein Katalog, der diese Spezies mit dem Namen „bestiola arcana inter litteras“ in all ihren Erscheinungsformen beinhalten soll. Ich rufe also hier zur Mitarbeit auf!

Bild 6: Makro-Zoom Stufe 32

Nachdem das Bild scharf gestellt wurde, sah ich schon wesentlich genauere Umrisse dieser Lebensform. Die Frage, die sich mir nun stellte war, ob es denn nun seitlich oder auf dem Kopf stand? Wo war der Kopf, der Rumpf und vielleicht sogar die Beine? Entsprach es überhaupt diesem natürlichen Muster vom Besitz von Beinen und Köpfen, wie es immer wieder in der Natur gefunden werden kann? All dies musste ich noch erforschen. Deutlich war aber, dass diese Lebensformen nicht identisch aussahen, sondern sich voneinander unterschieden, also griff auch hier wieder einmal das natürliche Prinzip der Individualität, des einzigartigen Aussehens.

Bild 7: Makro-Zoom Stufe 32

Bei der ersten Betrachtung dachte ich gleich an ein elefantenähnliches Wesen (siehe Bild 11). Rechts sieht man deutlich den Rüssel, der von rechts oben im Bogen nach unten fällt. Die beiden x-förmigen Formen in dem Bild sind höchstwahrscheinlich vier Beine, die durch ein Vorangehen sich kreuzen. Möglich sind auch drei Zacken, die vom Rücken des Wesens ausgehen, aber sicher bin ich mir noch nicht. Bis zu diesem Punkt bin ich bisher vorgedrungen und habe mittlerweile sechs unterschiedliche Wesen entdecken können, die ich Ihnen nun vorstellen möchte mit klaren, eindeutigen Ergebnissen sowie Darstellung der Art und deren Bezeichnung. Diese sechs Wesen sind erspürt und im Weiteren jeweils in einer Fotografie festgehalten worden:

Bild 8: Makro-Zoom Stufe 39

Im Weiteren sehen Sie Wesen Nummer 6 (von der Kamera und Software als „Being 6“ bezeichnet). Das erste Bild (s.u.) zeigt eine schärfer gestellte Version der Vergrößerung, speziell für die weiteren Forschungsergebnisse aufbereitet. Bei der Mustervergleichsanalyse I und II trat keine große Veränderung ein, aber beim Resampling sah man deutlich, wie das Wesen in etwa aussieht. Bei der Notwendigkeit die lebendigen Strukturen durch ein Glühen sichtbar zu machen, was nicht sehr schwer war, denn ich brauchte der Tastatur nur eine höhere Voltzahl zukommen lassen, brachte das Wesen zu einer erhöhten Stromaufnahme und machte es somit überdeutlich sichtbar.

Bild 9: Analyse

„Being 6“ ist in seiner Winzigkeit kaum zu messen, zwar nicht so klein wie eine Samenzelle, aber vermutlich um die 0,000001 mm. Höchstwahrscheinlich existieren sie auf einer präatomaren Ebene, in einem Mikrokosmos, das dem normalen Auge ohne technische Hilfsmittel verschlossen bleibt.

Bild 9: Ergebnis

(© Eine humorvolle Kurzgeschichte mit Fotos von Jonathan Dilas)

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