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Das letzte Sodom

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Das letzte Sodom

Sodom und Gomorra

(Aus dem Jonathan-Evangelium)

„Herr, verschone diese Stadt mit ihren Menschen darin. Sie mögen vielleicht in Ungnade gefallen sein, aber lasset es mich erneut versuchen, sie zur Besinnung zu bringen.“

„Du bist sehr klug, Abraham. Ich kann meine Absicht vor dir nicht verbergen, dies ist mir bewusst. Du bist mein Trumpf für Israel und darum wirst du der neue König werden. Vertraue mir weiterhin und du wirst ins Königreich einkehren.“

„Herr, so erhöre mich. Es wäre Unrecht, die Stadt mit all den Menschen darin zu töten. Wer weiß schon, wie viele von ihnen an dich glauben und dich verehren? Du würdest sie zu Unrecht töten!“

„Schweig, Abraham. Es ist mir einerlei. Sie werden für ihre Respektlosigkeit zahlen! Sie haben mich verleugnet und mir gespottet. Und nun werde ich ihnen meine Macht zeigen. Du wirst mich nicht daran hindern. Los, geht!“, rief Gott seinen Engeln zu und machten sich auf, um Sodom zu vernichten, doch Abraham versuchte, ihn zurückzuhalten.

„Herr, niemals würde ich dich an etwas hindern können. Doch es könnten vielleicht 50 Männer in Sodom sein, die an dich glauben und dich ehren. Es wäre doch gerecht, ihretwegen die Stadt zu verschonen.“

„Du Narr! Nun gut. Gehe nach Sodom und suche 50 Gerechte. Wenn du sie findest, dann werde ich meine Entscheidung überdenken…“

„Aber Herr, was ist, wenn ich nur vierzig oder dreißig fände, wirst du dann trotzdem die Stadt vernichten?“, bettelte Abraham um Sodom.

„Wenn du dreißig findest, dann werde ich Milde walten lassen. Also, gehe hin und suche dreißig, die mich unterwürfig anbeten, dann werde ich Sodom verschonen.“

„Verzeiht, Herr, wenn ich jetzt noch immer hier stehe und frage, aber wenn ich nur zehn oder fünf finde, was werdet Ihr tun, Herr?“

Gott und Abraham

Gottes Stimme donnerte noch lauter als zuvor über den Platz und Abraham standen die Haare zu Berge. Seine Stimme schien von allen Seiten auf ihn einzuhämmern:

„Abraham, du hast eine große Mission und darum werde ich Sodom verschonen, wenn du fünf von ihnen findest.“

Er war sicher, dass es fünf Gerechte zu Sodom gäbe, die seinen Herrn anbeteten und alles für ihn tun würden. So brach er auf und ging nach Sodom, um diese zu suchen. Doch Sodom war mittlerweile ein Ort der Prostitution und der Zügellosigkeit geworden. Man lebte ohne Religion und wie es einem gefiel. Wer dieses Leben guthieß, der blieb, und wer es ablehnte, der hatte die Stadt bereits seit langem verlassen. Doch eine Familie weigerte sich zu gehen. Es war die Familie Lot.

Abraham kehrte geschwind zu seinem Herrn und Meister zurück und berichtete ihm von dieser Familie.

„Abraham, du hast nur vier Gerechte gefunden, ein Mann mit Weib und zwei Kindern? Dies ist ein Grund mehr, diese Stadt in Schutt und Asche zu legen. Und wenn ich schon einmal dabei bin, dann zerstöre ich Gomorra gleich noch mit.“

„Ich flehe um Gnade, Herr! Nicht auch noch Gomorra! Woher wollt Ihr wissen, wie viele Gerechte noch dort leben?“

„Das ist mir gleichgültig. Ich werde die Städte nun vernichten lassen.“

„Gebt doch wenigstens Lot eine Chance. Er ist wirklich ein rechtschaffener Mann.“

Wieder donnerte Gottes Stimme von allen Seiten auf Abraham ein. Manchmal fiepte es sogar und die Stimme des Herrn verzerrte sich kurz, sodass es Abraham in den Ohren schmerzte.

„Gut, Abraham. Ich werde zwei Engel schicken, die Lot warnen sollen. Doch danach gibt es kein Erbarmen mehr! Ich dulde keine Ungläubigen in meiner Welt!“

Die Sonne verschwand langsam hinter den großen Felsen in der kargen Umgebung. Ein leichter Wind wirbelte etwas Sand auf und der Dunst zog in Richtung Sodom. Wenn man sich der Stadt näherte, hörte man das wilde Leben durch die Stadtmauern schallen. Es hatten sich mittlerweile dort mehrere Gruppen gebildet, die die Prostitution etablierten und organisierten.

Die Vasallen Gottes

Als die beiden Vasallen Gottes auf das Stadttor zugingen, stürmte ihnen Lot entgegen und hieß sie überschwänglich willkommen und warf sich vor ihnen in den Staub und verneigte sich immer wieder:

„Euch schickt der Herr! Ich bin Euch zu Diensten. Kommt in mein Haus und seid meine Gäste.“

„Nein“, sprachen die Engel und lehnten sein Angebot ab. Aber als Lot von seinem Haus erzählte und all dem wilden Treiben in der Stadt, da willigten die Engel ein und begleiteten ihn zu seinem Haus.

Kaum waren die Engel in seinem Haus angekommen, eilten viele Bewohner der Stadt herbei und umringten das Haus. Sie riefen laut, dass die Engel Gottes vor die Tür treten sollten, damit sie getötet werden könnten. Doch Lot eilte vor die Tür und schloss sie fest hinter sich. Nun wandte er sich an die Bewohner Sodoms und rief:

„Haltet ein! Und tut den Engeln des Herrn nichts. Sie sind wegen mir gekommen! Ich gebe euch meine zwei hübschen Töchter, damit ihr mit ihnen machen könnt, was ihr wollt. Vergnügt euch mit ihnen und fallt über sie her, aber um Gottes Willen, tut den Engeln nichts!“

Die Menge beriet Lots Vorschlag und hielt für einen Moment inne. Plötzlich riss einer der Engel die Türe auf und zog Lot wieder ins Haus.

„Kümmere dich nicht um uns, wir können uns selbst helfen“, sprach er und warf etwas in die Menge, das ein grelles Licht erzeugte und die Menge wurde geblendet, auf dass sie stundenlang in der Stadt wie Blinde herumliefen und Lots Haus nicht mehr finden konnten.

„Siehst du, Lot, wir haben sie geblendet. Wen kümmert es noch, was mit ihren Augen ist, denn Morgen werden sie sterben.“

„Sie werden sterben? Was wollt ihr tun?“

Gott vernichtet Sodom und Gomorra

„Unser Herr und Meister wird morgen Sodom und die anliegende Stadt vernichten. Er hat genug von deren Geschrei gegen seine Herrlichkeit und weil die Menschen nicht hören wollen, müssen sie fühlen! Sie werden grausam sterben und das wird ein Mahnmal sein für all jene, die unseren Herrn verleugnen wollen und gegen ihn sind“, sprachen die Engel wie aus einem Mund und fuhren sogleich fort: „Darum sagen wir dir, dass du deine Familie nimmst und kurz vor Sonnenaufgang die Stadt verlässt. Sie wird in Asche getaucht und vernichtet bis auf den letzten Stein. Blicket euch nicht um, wenn ihr einen Blitz schaut, denn die Kraft unseres Herrn ist unermesslich.“

„Ich danke Euch für Eure Warnung“, sagte Lot und küsste die Füße der Engel, die mit erhobenem Haupt dastanden.

„Und denke daran, in die Berge zu flüchten und schaut euch keinesfalls um, sonst werdet ihr erstarren. Unser Herr und Meister wird Schwefel und Feuer über die Städte schütten und sie werden lange nicht begehbar sein, da alles in ihr verseucht und verdreckt sein wird. Bleibt in den Bergen und wartet auf ein Zeichen.“

„Ich bin Euer Knecht und Untertan, ich würde alles für Euch tun! Aber ich kann nicht in die Berge gehen. Gibt es keinen anderen Weg?“

Die Warnung der Engel

„Nun gut, Lot, gehe über die Berge in die Stadt Zoar. Dort wirst du Zuflucht finden. Und vergiss nicht, Gott wird keinen Stein auf dem anderen stehen lassen und alles vernichten und verbrennen.“

Und Lot verstand die Warnung der Engel und begann gleich alles Notwendige zu packen, um gegen Morgengrauen die Stadt heimlich und ungesehen zu verlassen. Die Engel verließen die Stadt und ließen Lot zurück.

Am Morgen verließ Lot mit seinem Weib und seinen Töchtern Sodom und sie zogen in Richtung der Berge. Kaum erreichten sie das Gebirge und die Sonne ging im Osten auf, blitzte es am ganzen Firmament und Sodom und Gomorra brannten. Lots Weib, von Neugier geplagt, wandte sich um und schaute in den Blitz hinein. Sie erblindete sofort und konnte sich vor Angst nicht mehr rühren. Lot befahl seinen Töchtern in die Berge zu laufen, denn seinem Weib war nicht mehr zu helfen. Sie hatte die Befehle der Engel nicht befolgt und so ließ er sie zurück.

Als sie in den Bergen eine sichere Höhle fanden, beschloss Lot nicht nach Zoar zu gehen und schlug sein Lager an Ort und Stelle für längere Zeit auf. In den folgenden Nächten fehlte den Töchtern das Vergnügen und die Aussicht auf einen Schönling, der sie schwängerte und sie zu stolzen Müttern machte. Sie beschwerten sich bei ihrem Vater, dass sie nun wegen der Engel in dieser Einöde ihre Schönheit verlieren mussten und zeigten ihm ihre wunderschönen Körper, auf dass er sie nehme und sich mit ihnen amüsierte. Doch Lot war dies zu riskant in der möglichen Ankunft der Engel und bat seine Töchter doch zu warten, bis die Dunkelheit einbrach.

Zum Abend gaben sie ihrem Vater reichlich Wein, auf dass er sich lockere und sich für die Liebe und Gunst der Stunde öffnete. Und in der tiefen Nacht schlich eine Tochter nach der anderen zu ihrem Vater und vergnügte sich mit ihm, auf dass er seinen Samen in sie ergoss.

Nach neun Monaten gebaren sie Moab und Ben-Ammi, Söhne der Familie Lot aus dem eigenen Blut.

Was Abraham und Lot nicht mitbekommen haben in dieser Zeit:

„Meister, verzeiht, aber wir haben nur noch eine Bombe für Sodom“, sprach einer der beiden Vasallen mit dem Namen Michael aus und kniete demütig vor ihm.

„Ihr Nichtsnutze“, schrie Elohim und schlug auf das Armaturenbrett des Raumschiffs. „Zuerst übersteuert Ihr das Mikrofon als ich mit Abraham verhandelt habe und nun das! Ich hoffe, die Bombe wird reichen, um Sodom dem Erdboden gleich zu machen…“

„Meister, die Bombe ist nicht zu klein, sondern zu groß. Sie wird die Nebenstadt auch zerstören.“

Und Elohim lachte laut… „Das ist mir gleich. Gomorra hat einen ebenso schlechten Ruf wie Sodom.“

„Nein, Meister, nicht so sehr wie Sodom.“

„Schweigt! Zündet die Bombe und ich will nichts mehr hören.“

Es herrschte für einige Momente Stille im Cockpit und Raphael traute sich kaum zu sagen, was in Sodom vorgefallen war, als es dann doch aus ihm heraussprudelte.

„In Sodom, als wir mit Lot sprachen, gab es Ärger mit den Bewohnern. Wir mussten mehrere Blendgranaten benutzen.“

„Die teuren Granaten? Seid ihr denn des Wahnsinns? Ihr könnt auch nichts vernünftig machen!“, rief Elohim wütend und schlug wieder auf die Armaturen. „Und alles nur für diese dumme Familie! Sie ist um keinen Deut besser als die anderen. Jetzt sind sie in den Bergen, der Vater treibt es mit seinen Töchtern und weint seinem Weib keine Träne nach.“

„Meister, wieso habt ihr es dann erlaubt?“, fragte Michael.

„Ich brauche Abraham und sein vollstes Vertrauen. Ich werde ihn noch ein Mal ausgiebig testen, bis ich sicher sein kann, dass er mir blind gehorcht. Wenn es so weit ist, werde ich einen weiteren, großen Schritt dahingehend gemacht haben, dass mich ganz Israel lieben wird. Und danach geht es weiter. Die ganze Welt wird meinen Namen aussprechen, jeden Tag zur Begrüßung oder zum Abschied. Niemand wird mich mehr vergessen und sie werden mir zu Ehren Bauten errichten. Und Abraham ist einer der vielen Meilensteine auf dem Weg dorthin. Ich werde dann einen Planeten an der Hand haben, der mir gehört und ich werde ihn nur gegen großen Reichtum und Ansehen eintauschen. Wir werden Götter sein! Und ihr, meine Brüder, werdet ebenfalls Götter sein!“

„Wer mag sich für diesen zurück gebliebenen Planeten schon interessieren auf dem Markt?“, fragte Raphael noch einmal nach.

„Ich habe schon Interessenten in Aussicht. Ihr kennt ja diese kleinen Grauen.“

Raphael und Michael nickten grinsend. Sie wussten zu manipulieren und zu berechnen. Jede Religion braucht nun einmal seinen Guru und Elohim war wie geschaffen für diese Rolle.


(Aus dem Jonathan-Evangelium – © Jonathan Dilas)
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