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Doppelte Erkenntnis

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Doppelte Erkenntnis

Begegnung mit Hexen und Erkenntnisse im Morgengrauen

(Eine fantastische Kurzgeschichte von © Jonathan Dilas)


Ich hatte längere Zeit keinen Auftrag mehr erhalten, aber nun war ich wieder einmal auf dem Weg zu einem Shooting.

Auf meinem Beifahrersitz lag die heißgeliebte Fotoausrüstung und oben auf ein mit Tesa befestigter Zettel mit einer Adresse. Es sollte auf jeden Fall ein interessantes Shooting mit drei Frauen werden, so hatte es mir der Auftraggeber versichert.

Er hatte mir darüber hinaus versichert, dass die Frauen eine ganz genaue Vorstellung davon hätten, wie die Fotos auszusehen hätten. Er hatte dem noch hinzugefügt, dass ich unbedingt auf das Setting der Frauen hören sollte, denn es sei eine perfekte Ausführung der Fotos erforderlich, denn sonst würde ihn sein Auftraggeber kündigen. Mit einem lauten Räuspern hatte er noch hinzugefügt, ob ich dann dafür verantwortlich sein wollte?

Das wollte ich natürlich nicht. Normalerweise nahm ich solche suspekten Aufträge nicht an, aber er hatte mir ohne Probleme einen Barscheck von 1500 Euro zukommen lassen – als Anzahlung. Damit konnte ich einen Monat lang ganz gut leben. Als ich ankam, musste ich erst einmal vor einem riesigen Eisentor halten, durch dessen Gitterstäbe ich einen Blick auf die Villa werfen konnte, in der die Session stattfinden sollte. Eins war offensichtlich, irgendwer hatte hier verdammt viel Geld.

Unvermittelt öffnete sich das Tor und ich konnte mit meinem Wagen weiterfahren und die Suche nach einer Klingel hatte sich somit erübrigt. Langsam fuhr ich einen Weg entlang, der zu einem großen Platz führte, in dessen Mitte ein kleiner Springbrunnen stand. Ich schaltete den Motor ab, drückte meine Zigarette aus, packte meine Fotoausrüstung, die Lampen und den Schirm, und verließ den Wagen. Staunend ging ich langsam auf die braune Haustür zu, die ein seltsamer Türklopfer zierte. Das Haus besaß mindestens an die 30 Zimmer und hatte vielleicht eine Länge von 120 Metern. Rechts des Hauses sah ich sogar einen kleinen Park, der mit fein säuberlich geschnittenen, kniehohen Hecken bereichert worden war.

Am liebsten wäre ich erst einmal um das ganze Haus herumgelaufen, um mir alles ganz genau anzuschauen, aber dazu hatte ich bestimmt keine Zeit, befürchtete ich. Zum Glück wurde mir die Tür von einer uralten Frau geöffnet, als ich mit meiner Ausrüstung davor stand, denn ich hätte keine Hand mehr frei gehabt. Sie krächzte mich an.

»Folgen Sie mir, mein Herr.«

Ich folgte ihrem schleppenden Gang in einen größeren Salon, der mehr als 70 qm besaß. Diesen Raum schmückte nur ein Kronleuchter, ein Tisch und ein Stuhl, der allein und verlassen in einer Ecke stand, als müsse er in nächster Zeit auf den Sperrmüll. An der gegenüberliegenden Seite befand sich noch eine Doppeltür, die türkisfarben gestrichen worden war, und goldene Griffe luden zum Öffnen ein, um einen Blick in den nächsten Raum werfen zu wollen.

»Warten Sie hier, bitte«, krächzte sie wieder und trottete davon.

Links gab es ein großes Fenster, das gewiss doppelt so groß wie meine Wohnungstür war, und durch die Fensterscheiben erschien mir der Himmel so weit entfernt. Einige Wolken schoben sich vor die Sonne, denn ich sah das Licht- und Schattenspiel auf dem Boden des Platzes, auf dem mein Auto stand.

Ich hörte ein Rascheln, das sich mir zu nähern schien. Es war kaum vernehmbar, als ginge jemand möglichst leise durch ein Feld. Langsam drehte ich mich um, für einen Moment stockte mir der Atem! In einem Abstand von vielleicht acht Metern stand eine Frau in einem schwarzen Brautkleid mit schwarzer Spitze, Hut und durchsichtigem Schleier, der das Gesicht verdeckte. So stand sie dort und schaute mich still schweigend an. Ein Schauder lief mir über den Rücken. Dann kam sie langsam auf mich zu. Es schien fast so, als schwebte sie durch den Raum. Als sie vor mir stand, nahm sie den Hut ab, zog mit einem sicheren Griff etwas aus ihrem Haar, schüttelte es aus und streckte mir ihre Hand entgegen.

»Guten Tag. Mein Name ist Marina. Ich bin die Tochter des Hauses.«

Ihre plötzliche Verwandlung entspannte mich.

»Guten Tag, mein Name ist…«

»Ihren Namen kenne ich bereits. Ihr Auftraggeber ist mein Onkel und er hat in den höchsten Tönen von Ihnen geschwärmt. Ich hoffe, dass Sie alles dabei haben?«

»Ja, ich denke schon«, entgegnete ich.

Sie sah bezaubernd aus mit ihren schulterlangen, blonden Haaren, den blauen Augen und der niedlichen, auffälligen Stupsnase. Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass ein halbes Kind unter dieser schwarzen Verkleidung steckte.

Nun betraten zwei weitere Frauen den Raum, sie waren ebenso wie Marina gekleidet. Das Rascheln der Kleider nahm nun zu, und ich fühlte mich dadurch seltsam benommen. Ich konnte es mir nicht erklären, aber dieses Rascheln drang mir durch Mark und Bein. Es surrte regelrecht in meinem Kopf und alles, was ich ansah, erschien mir nun doppelt. Ich schüttelte einmal kräftig meinen Kopf, um wieder normal wahrnehmen zu können. Das Schwirren verschwand, aber ich nahm immer noch so ungewöhnlich wahr.

Ich konzentrierte mich schnell auf das Aufstellen der Lampen, spannte den aluminiumbeschichteten Schirm auf, um das Licht nicht direkt auf die Modelle werfen zu müssen, und legte schon einmal einen neuen Film ein. In der Kamera befand sich noch ein alter Film, aber ich nahm ihn heraus, weil ich wusste, dass er beinahe voll war.

Ich drehte mich zu Marina um:

»Darf ich hier rauchen?«, fragte ich sie, »denn ich rauchte gern bei der Arbeit.«

Sie kam mit einem schnellen Satz herbeigesprungen, nahm mir Feuerzeug und Zigarettenschachtel aus der Hand, fingerte geschickt eine Zigarette heraus, steckte sie mir in den Mund und sagte:

»Aber natürlich. Rauchen Sie! Rauchen Sie, soviel Sie wollen!«

Das Feuerzeug schnippte auf, und die kleine Flamme verlangte, dass ich sie mit der Zigarette einsog.

»Vielen Dank.«

Ich schaute mich um, beinahe aus Gewohnheit, und suchte automatisch nach einem Aschenbecher. Die meisten Leute ließen mich in ihren Wohnungen rauchen, aber Aschenbecher waren selten vorhanden.

Eine der anderen Frauen brachte daraufhin einen Aschenbecher. Sie stellte ihn demonstrativ auf ein kleines Tischchen, das sie ebenfalls mitgebracht hatte. Es besaß einen goldverzierten Rand mit einem goldenen dreifüßigen Ständer, und mehr als Rauchutensilien passten auch nicht auf die rote, runde Fläche. Ich konnte so eben einen Blick durch ihren Schleier werfen, als sie den Aschenbecher abstellte. Sie besaß dunkelbraunes, lockiges Haar und helle Augen.

»Das ist meine Schwester Katharina, und die zurückhaltende Dame dort drüben ist meine Cousine Johanna.«
Johanna stand etwas abseits und blickte beinahe hilflos zu Boden. Sie zog mit ihrem Fuß ständig Halbkreise auf dem Boden, sie war eindeutig eine von diesen schüchternen und gehemmten Frauen, dachte ich.

Sie hob ihren Schleier, blickte mich kurz an, senkte ihren Kopf und kam langsam auf mich zu, bis sie in einem Abstand von zwei Metern einen Knicks machte, daraufhin ihren Oberkörper nach vorn beugte und mir ihre Hand hinhielt, offensichtlich weil sie sich nicht traute, einen gewissen Höflichkeitsabstand zu überschreiten. Ich war jedoch von ihrer Anmut und der Zerbrechlichkeit, die sie ausstrahlte, vollkommen beeindruckt, und hätte ihr fast die Hand geküsst. Verlegen zog sie die Hand zurück, als hätte sie meine subtile Geste verstanden, errötete und drehte sich langsam um, damit sie sich wieder auf ihren alten Platz begeben konnte.

»Wir streiten uns oft, können einfach nie richtig zusammenhalten. Das macht wohl das viele Geld, das irgendwann einmal eine von uns erben wird«, sagte Marina, wobei sie die letzten Worte leiser und mit vorgehaltener Hand aussprach, als sollte nur ich sie vernehmen.

»Ich hätte ihm auch gern Feuer gegeben«, meinte Katharina und machte einen Schmollmund, als sie ihre Schwester anblickte.

»Beim nächsten Mal rufe ich dich, gut?«

Katharina nickte zufrieden, drehte sich um und stellte sich wieder zu ihrer Cousine.

»Sie müssen Verständnis haben, sie ist nicht grad die Hellste«, sagte sie und kicherte verschmitzt in sich hinein.

»Das kann ja heiter werden«, dachte ich und aschte in den massiven Marmoraschenbecher.

»Wir können gleich anfangen«, rief ich und drehte Marina den Rücken zu.

Plötzlich ergriff sie meine Schultern, riss mich herum, packte mein rechtes Handgelenk und schleuderte mich in Richtung der beiden anderen Frauen.

»Dreh‘ mir nie wieder den Rücken zu, du Wichser!«, schrie sie mit einer unheimlichen Stimme und hängte einen seltsam klingenden Ton hintenan, der sich einfach schrecklich anhörte und ich glaubte, mein Herz würde sofort stehen bleiben vor Schreck.

Die anderen beiden erwarteten mich bereits, als ich in ihre Richtung stolperte. Beide ergriffen gleichzeitig mein rechtes Handgelenk, schleuderten mich mehrere Male im Kreis und ließen dann los. Ich raste mit einer zu hohen Geschwindigkeit gegen die Wand.

Alles um mich herum begann schwarz zu werden und ich kämpfte verzweifelt gegen die drohende Ohnmacht an, als ich mein Gleichgewicht nicht mehr aufrechterhalten konnte und drohte zu Boden sinken.

Im Augenwinkel nahm ich gerade noch wahr, wie eine von ihnen auf mich zuflog und mich endgültig umwarf. Als ich auf den Rücken fiel, wurde mir die Luft aus den Lungen getrieben und ich schnappte ringend nach Sauerstoff. Johanna saß nun auf mir und die anderen zwei hielten mich an den Armen fest.

»Na, mein Süßer, wo ist denn Deine Zigarette hingefallen?«, sagte sie in einem bedrohlichen Ton, der irgendwie auf meine Beckengegend zu schlagen schien.

Es war ein Gefühl, das ich aus der Kindheit kannte, wenn ich mal wieder einen Lausbubenstreich verübt hatte und vor einem schimpfenden Rentner floh, der sich in den Kopf gesetzt hatte, mich zu verfolgen, wenn nötig, bis ans Ende der Welt.

Mittlerweile hatte ich mich wieder erholt und einige Male tief Luft geholt, um meine Lungen mit frischem Sauerstoff zu füllen.

»Das ist ein kleines Baby, das seinen Schnuller gegen eine Zigarette eingetauscht hat, weil ihm das Herumlaufen mit einem Schnuller zu uncool erscheint.« Sie lachte spöttisch und die anderen stimmten schaurig in ihr Lachen ein.

Sie stellten sich wie abgesprochen ans Fenster, weil ich es als erstes Motiv ziemlich ansprechend empfand. Der Film war in die Kamera eingelegt, das Licht war perfekt, und über die Models konnte ich mich auch nicht beklagen. Die schüchterne Johanna stand, im Vergleich zu den anderen, ein wenig zu weit abseits und hätte die Symmetrie des Bildes gestört.

»Johanna, könnten Sie bitte ein Stück nach rechts gehen, damit Sie optimal im Bild sind.«

Langsam bedauerte ich, dass ich meine Polaroid nicht eingepackt hatte. Gewiss wäre es hilfreich gewesen, ein Vorabbild beurteilen zu können, aber nun musste ich mit der Ausrüstung auskommen, die ich mitgenommen hatte.

»Ist es besser so?«, fragte mich Johanna und hob für diese eine Frage extra ihren Schleier, um nicht unhöflich zu wirken.

»So ist es hervorragend«, rief ich mit der Kamera vor meinem Gesicht. »Noch ein wenig weiter nach rechts. Die anderen werden Sie schon nicht beißen.«

»Möchtest Du noch eine Zigarette«, fragte Johanna plötzlich mit deutlicher Ironie in ihrer Stimme, öffnete geschickt den Knopf meiner linken Hemdtasche und fingerte spielerisch eine Zigarette aus meiner Schachtel.

»Katharina, jetzt darfst Du ihm Feuer geben!«

»Danke, meine geliebte Johanna«, entgegnete Katharina und anstatt aufzustehen, um nach dem Feuerzeug zu suchen, das ich in der Auseinandersetzung verloren hatte, hielt sie mir die Faust hin, in der sie ihren Daumen versteckt hielt, während Johanna mir die Zigarette in den Mund stopfte.

Nun ließ sie den Daumen aus ihrer Faust schnippen und wiederholte diese Geste mehrere Male, bis sie wieder ihren Schmollmund zog:

»Ach man, das Feuerzeug ist hin«, bedauerte sie und alle lachten.

Ihr ausgelassenes Gelächter machte ich mir zunutze, denn Marina hatte meinen rechten Arm losgelassen, um an die Zigarettenschachtel zu kommen, die in meiner Hemdtasche war. Mit dem Aufbäumen meines Beckens konnte ich Johanna aus dem Gleichgewicht bringen, Marina schrie laut auf, als sie ihren Fehler erkannte, während Katharina mich noch immer eisern festhielt.

Mein rechter Arm war nun frei und mit einem Schlag fegte ich Johanna nun völlig von mir herunter, der nächste Schlag ging gleich in Richtung Katharina, aber sie wich geschickt aus, indem sie sich nach hinten abrollte und flink wieder auf die Beine kam. Auch die anderen beiden hatten sich abgerollt und standen einen Bruchteil schneller als ich wieder auf ihren Füßen.

»Du möchtest weiterkämpfen?«, fragten sie mich.

»Nein«, rief ich.

»Ist irgendetwas?« fragte mich Marina.

Für einen Augenblick hatte ich die Orientierung verloren. Mir kam es gerade so vor, als hätten sie woanders gestanden als unmittelbar vor dem Fenster.

»Ist irgendetwas? Brauchen Sie noch was? Sind Sie vielleicht durstig? Johanna, bringe dem Herrn ein Glas Wasser, es geht ihm nicht gut.«

»Machen Sie sich keine Umstände, mir geht es schon wieder gut.«

Johanna war jedoch schon losgerannt, um mir ein Glas Wasser zu bringen.

»Was ist denn geschehen? Kann ich Ihnen helfen?« hakte Katharina nun nach und zog wieder ihren Schmollmund als hätte sie mir gern das Glas Wasser gebracht.

Johanna kam zurück und reichte mir das Wasser. Ich bedankte mich und setzte mich ein wenig in die Hocke.

Nun standen alle drei um mich herum und ihre Augen durchbohrten mich, als wollten sie es genau wissen.

»Du möchtest uns tatsächlich herausfordern?« rief sie und wiegte ihren Körper hin und her, fertig zum Sprung.

Ich ging langsam zurück, bis ich plötzlich die Wand im Rücken spürte. Der ganze Raum schien in diesem Moment einzufrieren und für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich über die Situation nach, versuchte im Angesicht der unmittelbaren Gefahr die Fragen zu verdrängen.

»Nun denkt er wieder!«, rief Johanna lauthals, »Warum greifen die mich an! Was soll das alles! Ich hab‘ doch nichts getan«, und alle krümmten sich erneut vor Lachen.

Plötzlich schoss Katharina vor und trat mit einem hohen Bein nach meinem Kopf.

Ich konnte diesem Tritt gerade ausweichen, doch sie erwischte mich noch etwas an der Schulter. Sie zog ihr Bein jedoch nicht schnell genug zurück, sodass ich es ergreifen konnte. Ich drehte das Bein um 90 Grad und trat ihr dann das Standbein weg. Sie fiel der Länge nach auf den Bauch.

Doch dieser Erfolg war nur von kurzer Dauer, denn dies hatte einen Frontalangriff der beiden anderen Hexen zur Folge. Schreiend kamen sie auf mich zugerannt. Da ich Johanna als die schlimmste von allen erachtete, schlug ich mit meiner Faust zuerst nach ihr. Der Schlag traf sie auf den Solar Plexus und luftringend taumelte sie zurück.

Marina schien mir eigentlich die vernünftigste von ihnen zu sein, und ich nahm mir vor, sie in den Schwitzkasten zu nehmen, damit ich die Sekunden nutzen konnte, sie über ihre Motive auszufragen, doch ein sicheres Gefühl in mir wusste, dass dies ein sinnloses Unterfangen war…

»Bitte«, sagte Johanna und trat einen Schritt zurück.

Es tat gut, etwas Wasser zu trinken. Am liebsten hätte ich es mir ins Gesicht gekippt. Mir war nun aufgefallen, dass ich stark schwitzte, als hätte ich mich viel bewegt.

»Ich glaube, er schwitzt ein wenig. Johanna könntest du noch ein Handtuch holen?«

Johanna rannte wieder los und kam kurz darauf mit einem Handtuch wieder. Marina nahm es ihr ab und reichte es mir.

»Sie sollten mal einen Arzt aufsuchen. Das scheint mir eine Grippe zu sein.«

Das konnte ich mir eigentlich nicht vorstellen… das Wetter war schön, es war warm und ich kannte keinen, der mich vielleicht angesteckt haben könnte.

»Das scheint mir nur ein kleiner Schwächeanfall zu sein«, meinte ich, als ich plötzlich ein unterdrücktes Lachen hörte, als hätte sich jemand in einer ernsten Situation nicht zusammenreißen können. Ich schaute mir nacheinander die Frauen an, aber sie wirkten alle betroffen und besorgt um meinen Zustand. Nun fiel mir auch noch auf, dass meine Ohren summten, mein Kopf wurde immer heißer und mir schwindelte es immer mehr.

»Möchten Sie sich vielleicht etwas hinlegen?«, fragte mich Marina weiter.

»Nein, machen Sie sich keine Umstände, mir geht es gleich wieder besser. Wir können gleich weitermachen.«

Es war ein skurriles Bild, wie sie alle drei um mich herumstanden, und ich in der Hocke saß. Langsam erhob ich mich.
Marina ergriff meinen Arm, als sei ich ein alter Mann, dem man über die Straße helfen muß. Sanft entzog ich mich ihrem sanften Griff und bedankte mich für ihre Aufmerksamkeit…

Marina griff noch einmal nach und drehte mir den Arm auf den Rücken. Sie schob mich mit aller Kraft vorwärts und ließ mich, und sich selbst, mit voller Wucht gegen die Wand rennen. Mein Kopf schlug gegen die Wand, mir wurde sofort schwarz vor Augen und ich fiel der Länge nach hin.

Langsam öffnete ich meine Augen. Alles um mich herum schien verschwommen und nur langsam erinnerte ich mich, was vorgefallen war: der Anruf und der satte Vorschuß für ein Shooting, die Autofahrt zu der Villa, die Haushälterin, diese drei Hexen. Die Hexen! Ich richtete mich so abrupt auf, dass mir ein stechender Schmerz durch den Kopf jagte und ich mich am liebsten wieder flach hingelegt hätte. Nun sah ich sie in ihren schwarzen Trauergewändern, wie sie mich musterten und darauf warteten, ihr Werk zu vollenden.

Behutsam erhob ich mich, um diesem Schmerz nicht zu viel Platz einzuräumen und bemühte mich, mein Gleichgewicht zu halten.

»Sind Sie wieder wohlauf? Wir hatten uns schon Sorgen um Sie gemacht.«

In ihrer Stimme lag eine offensichtliche Bedrohung. Johanna kam lautlos auf mich zu, es schien, als schwebte sie. Eine Stimme in mir rief, dass ich diesen Ort sofort verlassen sollte und es drängte sich mir der Wunsch auf, wie ich alles stehen und liegen ließ und zum Auto rannte, um einfach nur zu flüchten. Aber die gute Erziehung, die ich genossen hatte, schien mir das irgendwie nicht zu erlauben.

Johanna stand nun vor mir und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an, als suchte sie etwas an mir. Auch schaute sie mich nicht direkt an, sondern schien vielmehr auf die Umrisse meines Körpers zu achten.

Plötzlich schüttelte sie den Kopf und rief:

»Weiter geht’s!«

Sie ergriff mein linkes Handgelenk, schleuderte mich einmal im Kreis und ließ mich dann plötzlich los. Wieder einmal raste ich taumelnd auf zwei Hexen zu, die mich mit den übelsten Tricks zu empfangen gedachten.
In mir erwachte plötzlich ein unglaubliches Gefühl der Wut. Am liebsten hätte ich sie gleich hier und jetzt getötet, um diesem Spuk ein für allemal ein Ende zu bereiten.

Die Frauen standen um mich herum, Marina stützte mich.

»Geht es Ihnen besser? Sie sind einfach zusammengeklappt. Am besten wir bringen Sie in unser Gästezimmer. Dort können Sie sich hinlegen und ausruhen. Wenn es Ihnen besser geht, können Sie nach Haus fahren oder einen Arzt aufsuchen.«

In diesem Moment war mir plötzlich alles gleichgültig. Mir war es gleich, was sie nun mit mir vor hatten. Ich nickte stumm und ließ mich aus dem Raum führen.

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Johanna mehrmals schüchtern zu Boden schaute und dann wieder zu mir.

Plötzlich kam sie eifrig angerannt und schnappte sich den noch freien Arm. Sie wollte mich ebenfalls stützen.

Ich hingegen kämpfte mit einer qualvollen Übelkeit und musste mich arg zusammenreißen, nicht ihre Kleidung oder den Teppich zu ruinieren.

Als ich Platz auf einem wundervollen Himmelbett genommen hatte, es war eines dieser Betten, auf die man sich ohne Aufforderung niemals setzen würde, weil sie perfekt gemacht worden waren, zog Marina mir die Schuhe aus, nahm meine Beine hoch und legte sie auf’s Bett. Es tat gut, dort zu liegen und die Augen zu schließen. Lautlos verließen die drei Frauen das Zimmer, und ich sehnte mich nach Schlaf.

Plötzlich hörte ich Johannas Stimme: »Du bist tot! Du bist tot!«

Erschrocken riss ich die Augen auf, aber ich war allein in diesem Gästezimmer. Dann nahm die Müdigkeit abrupt zu, dass ich augenblicklich einschlief.

»Du bist tot!«, rief Johanna keifend und die beiden Hexen empfingen mich mit neuen Tritten.

Ich warf mich nach vorn, rollte mich ab und kam wieder zum Stehen. Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Johanna einen Flickflack machte und nicht gerade mit guten Absichten auf mich zugewirbelt kam. Ihr Flickflack endete genau einen Meter vor mir. Sie stand nun dort und hatte ihre rechte Hand krallenförmig erhoben, um mir mit ihren langen Fingernägeln durch’s Gesicht zu fahren.

»Du bist nicht hier«, flüsterte sie, als sollte nur ich es mitbekommen.

Diese Aussage jagte mir einen gewaltigen Schauder über den Rücken, und ich erfuhr eine unglaubliche Spaltung: Ich sah mich plötzlich dort mit Johanna stehen und gleichzeitig in einem Bett liegend. Dies traf mich mit einer solchen Überraschung, dass ich Johannas verheerende Absicht vergaß, mir das Gesicht zu verunstalten. Sie aber hielt inne und schien auf etwas zu warten.

»Na endlich!« sagte sie daraufhin, wandte sich ab und ging zu den anderen beiden.

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