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Staatenlos: Die Braut der Libyschen See (Teil 14)

Reisefieber und staatenlos

‚Staatenlos‘ ist eine Rubrik, in der ich Artikel von meiner Reise durch Europa verfasse, über die Abenteuer, die auf mich warten und mit Fotos und Videos untermalt werden. Diese Artikel erscheinen nicht immer auf der Hauptseite! Also immer wieder mal auf der linken Seite auf diese Kategorie klicken und nachschauen, ob ein neuer Artikel, ein Foto oder Video veröffentlicht wurde…

Paleochora auf Kreta besitzt, ebenso wie Chania, mehrere Namen, als hätte man sich nicht wirklich einigen können. Darunter findet man Bezeichnungen wie Paleochora, Paliochora, Paliohora, Palaiochora, Palaiohora, Paleoxora, Palaioxora und trägt nebenher noch die liebevolle Bezeichnung „Die Braut der Libyschen See„, weil diese kleine Stadt der südlichste Punkt Kretas ist und tüchtig flirtend nach Libyen hinüberschaut…

Eine wahre Namensvielfalt, auch wenn einem der Sinn dessen zuweilen entgehen mag. Zudem gilt sie als einer der südlichsten Städte Kretas mit dem saubersten Stränden und Gewässern. Neben uralten Olivenbäumen und atemberaubenden Strand- und Felsenkulissen kann man auch viele vom Aussterben bedrohte Adler entdecken. Viele Deutsche sind hier sogar anzutreffen und man sagt, dass 70% von denen, die einmal Paleochora besucht hätten, auch immer wieder jedes Jahr zurückkehrten. So klein diese Stadt auch sein mag, findet man dort trotzalledem Hotels, Campingplätze, Bars, Diskotheken, Kleider- und Kaffeeläden, Clubs und viele freundliche Menschen. Die Kriminalitätsrate ist dort kaum erwähnenswert und jeder macht einen richtig gechillten Eindruck. Autos und Fenster, Haustüren und Gärten stehen fast immer offen. Niemand hat Angst, dass etwas gestohlen werden könnte. Ich hörte von Menschen, die ihr iPad oder ihr Smartphone in Tavernen haben liegenlassen und es am anderen Tag wieder zurückerhielten. Doch muss man gleichsam erwähnen, dass die Menschen dort auch keine nennenswerten Besitztümer haben.


In Paleochora sind die Menschen sehr genügsam. Betritt man eine Wohnung, findet man neben einem alten Fernseher und ausgedienten DVD-Player eigentlich nichts, wofür Diebe sich interessieren könnten. Auch Autodiebstahl würde sich überhaupt nicht lohnen, denn auf Kreta ist ein gestohlenes Auto schnell wieder aufzufinden und den Weg zum Festland über den Fährenweg schafft es sicherlich nicht.

 

 

 

 

Daher entdeckt man Kriminalität höchstens nur mal in den größeren Städten. Außerhalb der Saison hingegen ist Paleochora natürlich völlig leergefegt und neben einigen Dauerresidenten, die häufig Deutsche sind, und den einheimischen Griechen, sind die Straßen recht einsam und die meisten Geschäfte geschlossen. Die Stadt war allemal schön und unten im Süden gefiel es mir wesentlich besser als im Norden Kretas.

Mit ein wenig Glück konnte ich mich dort sogar in ein Strandhaus einmieten. Wie vielleicht gerade vermutet, liegt dieses Haus sehr nahe am Strand, maximal 30 m entfernt. Zudem mit einer Anlegestelle für gelegentliche Yachten, die dann Leute einsammeln, welche in der Nähe wohnen.

Als ich in das Ferienhaus eintrat, entdeckte ich zwei Schlafzimmer und eine große Wohnküche. Sehr hübsch mit türkisfarbenen Fensterläden und entsprechend farbiger Tür sowie einer großen Veranda mit Bank, Stühlen und Tischen. Das Haus war sehr einfach gehalten, mit der notdürftigsten Einrichtung und Versorgung ausgestattet und die einzigen Heizkörper für die frischeren Tage, war das interne Klimasystem. Kurz überlegte ich, ob ich hier überhaupt einziehen sollte, aber dann betrat ich eines der Schlafzimmer und entdeckte an der Wand einen Glasrahmen, das eine Kohlezeichnung in sich trug. Darauf erblickte ich eine Frau, die schlafend auf einer Wiese lag und sich gleichzeitig in ihrem Geistkörper gerade aus ihrem physischen Körper erhob. In dem Augenblick dachte ich mir, das kann ja nur eine Einladung an mich sein, dieses Haus zu mieten und dieses Schlafzimmer zu wählen. Vielleicht wirkte ich auf den einen oder anderen nun ein wenig abergläubisch, aber ich empfand es als geradezu treffend. Also zögerte ich nicht lange und sagte der Vermieterin kurzerhand zu – die gerade damit beschäftigt war, ein weiteres Strandhaus aufzupolieren und zu renovieren.

In solchen Dingen schien sie mir ein kleines Allroundtalent zu sein, denn sie verlegte den Boden und strich die Wände, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Mit brennender Zigarette im Mund, in der einen Hand einen langen Holzstab mit Farbrolle und in der anderen einen Eimer, grinste sie mich an und meinte auf Englisch, dass ich dann ja bald einziehen könne. Sie freute sich, außerhalb der Saison überhaupt einen Mieter zu erhalten und machte mir einen guten Monatspreis. Nun konnte ich wirklich nicht mehr ablehnen. Mein Plan war es, zumindest bis Februar zu bleiben und Weihnachten und Neujahr hier zu verbringen.

Kaum waren meine Taschen ins Haus getragen, stellte sich auch schon die erste Katze vor. Sie war grau mit schwarzen Streifen und  ziemlich dünn. Eine der vielen umherstreunenden Katzen Kretas, wenn man so möchte, die immer durch die Gegend schleichen auf der Suche nach neuem Futter. Glücklicherweise hatte sie nicht den kretanische Katzenschnupfen, der im Norden sehr verbreitet ist. Trifft man eine Katze aus dem Norden, dann sollte man zusehen, dass man in Deckung geht, wenn diese niesen.

 

Was soll ich sagen, wenige Tage später tauchten immer mehr Katzen auf und ich war dann, glücklicherweise nur im Rahmen der Mietzeit, stolzer Besitzer von vielleicht fünf bis sechs Katzen, die mich als ihren neuen Ernährer betrachteten. Alles besitzer- und besitzlose Straßenkatzen mit der Lizenz, Müllcontainer zu plündern.

Sie waren erstaunlich in Schuss, mit weichem Fell und gesundem Erscheinungsbild. Stadtkatzen hingegen sehen da wesentlich schlimmer aus, aber in der kleinen Stadt Paleochora kann man davon ausgehen, vielen hübschen und äußerst sympathischen Katzen zu begegnen.

Jede der Straßenkatzen wirft sich mächtig ins Zeug, denn sie wissen seit vielen Jahrzehnten, dass die Touristen auch gern mal eine von ihnen einpacken und mit nach Hause nehmen, sobald der Urlaub vorüber ist. Daher kann man davon ausgehen, dass sie äußert verschmust und entgegenkommend sind. Nur das mit der Namensverteilung klappte nicht ganz so! Keine von ihnen wollte auf ihren Namen hören, unabhängig davon, wie oft man diesen auch rief.

Kreta-Katzen wollen keine Namen, das ist schon einmal klar! Ich fragte mich sodann, ob dies eine allgemein griechische Katzeneinstellung ist, die sie vertreten oder ob es nur an meiner allzu willkürlichen Namensvergabe lag? Während die erste Katze den Namen „Stripes“ (engl.: Streifen) und gelegentlich auch mal „Strapsi“ trug, hieß die kleine Süße mit den weiß-rostfarbenen Streifen „Rusty“ und eine schwarzweiße hingegen „Geisterkatze“ (weil sie gern stundenlang wie ein Geist am Fenster steht und ins Wohnzimmer guckt).

Im Weiteren wurde eine Katze, die einen weißen Maulbereich besaß mit originalem schwarzen und sehr kleinen Schnauzbart, gleich „Hitler“ getauft und seine Schwester eben „Eva-Maria“. Es ist nicht so, dass mir etwas an diesen Namen läge oder ich in irgendeiner Form Sympathien gegenüber solchen Persönlichkeiten hege, sondern sie fielen mir halt spontan ein, weil es lustig war und optisch gerade passte. Man kann sich gern einmal dises Foto mit den vier Katzen anschauen und raten, wer hier wie heißt…

Bei solch befremdlichen und nicht immer vom positiven Karma gesegneten Namen, könnte es verständlicherweise auch so sein, dass sie auf so blöde Namen nicht hören wollten. Jedenfalls kann sich jeder nun selbst aussuchen, woran es liegen mag, dass kretanische Katzen einfach nicht hören wollen, besser noch, nicht einmal einen anschauen, wenn man sie ruft. Man wird schlichtweg ignoriert, doch wehe man geht an die Küchenzeile, dann springen sie auf und schauen höchst interessiert zu, was dort gemacht wird und ob etwas Leckeres abgestaubt werden kann. Sehr interessant ist das Verhalten der Geisterkatze, denn sie bettelt nicht, sie kommt auch nicht zur Küchenzeile, wenn man sich mal einen Tee oder Kaffee macht, um vielleicht etwas abzustauben. Darüber hinaus lässt sie jeder anderen Katze den Vortritt, wenn es darum geht, sich auf das Futter zu stürzen und sie schlägt auch niemals zu. Sie beobachtet nur, manchmal Stunden, was man macht. Daher sind dies weitere Gründe für ihren Namen… nun gut, auch, wenn diese ebenfalls kein Stück darauf hört.

Wie auch immer sie hießen oder von mir ganz nach indianischer Tradition benannt wurden, so verfolgten sie mich sehr gern bei einem Strandspaziergang. Insbesondere ein Abendspaziergang stellt sich stets als sehr entspannend heraus. Der kiesgesäumte Strand mit berauschenden Wellen und einem bezauberndem Horizont inklusive einem superklaren Sternenhimmel, runden das Ganze auch noch einmal gelungen ab.

Nördlich von Paleochora gibt es im Weiteren einen traumhaften Abenteuerstrand mit Felsen, Unterwasserhöhlen, von denen sogar eine zeitweise begehbar ist und für entsprechend Gesinnte, auch einen FKK-Bereich – selbst wenn es auf Kreta eh niemanden stört, wenn man knapp bekleidet irgendwo herumläuft. Ich sah schon den einen oder anderen nackt Gitarre spielen.

Selbst wenn es nur ein Touristenrestaurant ist und man eigentlich nur Tavernen mit „Home made Food“ aufsuchen sollte, gefiel mir das „Crocodile“ sehr gut, das sich nach einer riesigen Felsformation benannte, die man von dort aus erblicken kann. Wenn man hinschaut, sieht diese Formation tatsächlich wie ein schlafendes Krokodil aus oder gar wie ein Drache, der nur darauf wartet, aus seiner Versteinerung befreit zu werden. Vielleicht, so träumt man manchmal, hat ihn irgendein Zauber versteinert und er schlief für Jahrtausende ein. Eventuell im Kampf gegen eine Übermacht Außerirdischer, die gekommen waren, um den Planeten zu plündern, die gigantische Bäume fällten und Rohstoffe von den Bergen abtrugen. Man weiß es nicht, aber eventuell versuchte der Drache, dies zu verhindern und wurde kurzerhand betäubt und zu Stein verwandelt… So kann man dort sitzen und neben dem gelungenen und sehr schmackhaften Essen herumträumen, dass irgendwann einmal der Drache seine Augen öffnen wird und zum Erstaunen aller, wie in „Game of Thrones“, seine Bahnen am Himmel zieht.

Die Erkundung des nördlichen Strandes ist ein kleines Abenteuer für sich! Betritt man den felsigen Boden, glaubt man sich gleich, auf dem Mond oder einem anderen fremden Planeten zu sein. Dort einen Science-FictionFilm zu drehen wäre durchaus machbar und optimal dafür geeignet. Die Unterwasserhöhle, kann man durch einen kurzen Tauchgang erreichen und in ihr wieder auftauchen oder man wartet, bis das Wasser ein wenig zurückgeht, dann ist es auch möglich, sie zu Fuß zu betreten und hineinzuklettern.

 

 

Als ich in der Höhle saß, befand sich über mir vom Meereswasser bearbeitetes Gestein. Ein Loch in der Höhlendecke ist ein stilles Zeugnis für einen kürzlichen Deckeneinbruch und ein dicker Felsbrocken liegt nun im Zentrum der Höhle. Wenn man dort sitzt, befindet man sich nahezu ständig in der Anwesenheit des Todes, denn man besitzt das Gefühl, als könnte sich jeden Moment ein weiterer riesiger tonnenschwerer Felsen lösen und einen darunter begraben. Dieses Gefühl inspiriert, macht aufmerksam und wach. In jedem Fall ein kleines Abenteuer für sich, diesen Strand zu besuchen und ihn zu erkunden. Wunderschöne Fotos gelingen dort auch und man kann mehrere Wege entlanglaufen, um die Gegend zu erkunden.

 

 

 

Es gibt viele Plätze im Süden zu erkunden. Da gibt es Höhlen und interessante Felsformationen, aufregende Strände, hervorragende Schnorchelplätze und ebenso interessant ist der Strand von Elafonisi und die Samaria-Schlucht mit einer Länge von 18 km, die man stundenlang entlang wandern und ein wahres Naturschauspiel bewundern kann. Hier stehe ich am Landesteg der Fähre, während ich den Sonnenuntergang verfolgt hatte. In solchen Augenblicken kann man über seinen weiteren Weg nachdenken und planen, was als Nächstes geschehen kann. Kreta ist in jedem Fall ein Besuch wert und stets zu empfehlen.

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