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Staatenlos: Kreta? Mexiko? Kreta? Mexiko! (Teil 7)

Reisefieber und staatenlos

‚Staatenlos‘ ist eine neue Rubrik, in der ich Artikel von meiner Reise durch Europa verfasse, über die Abenteuer, die auf mich warten und mit Fotos und Videos untermalt werden. Diese Artikel erscheinen nicht immer auf der Hauptseite! Also immer wieder mal auf der linken Seite auf diese Kategorie klicken und nachschauen, ob ein neuer Artikel oder Foto oder Video veröffentlicht wurde…

Nachdem ich den Zikaden aus Athen ausgiebig gelauscht hatte und noch immer ganz perplex ob der Tiefe und einfachen Schönheit dieser Musik war, beschloss ich, nach Piräus zu fahren, denn dort wollte ich eine Fähre nehmen, um nach Kreta überzusetzen. Glücklicherweise hatte ich das Fährenticket bereits eine Woche zuvor gebucht und war völlig auf der sicheren Seite. Somit war ein mehrtägiger Aufenthalt in Athen ganz okay gewesen. Immerhin ist es eine sehr interessante Stadt und es gab viel zu sehen. Also, nachdem die schöne Zeit in Athen ihr Ende gefunden hatte, wollte ich zur Fähre. Ein nachträglicher Sicherheitscheck mit Blick auf das Ticket… Verflixt! Die Fähre war bereits gestern losgefahren! Ich hatte mich doch tatsächlich um einen Tag vertan…

Ich konnte mir nicht erklären, wie das passieren konnte. Ich war sicher, dass die Fähre heute Abend um 21 Uhr fahren würde, aber ich war laut der Reservierung exakt 24 Stunden zu spät dran. Vermutlich hatte ich beim Ausfüllen des Onlineformulars irgendwas falsch angeklickt oder es hatte sich eine höhere Kraft eingemischt… Ich weiß es nicht! Na ja, dachte ich mir, notfalls würde ich eben 100 Euro verlieren und mit ein wenig Glück, für heute Abend ein neues Ticket vor Ort bekommen. Immerhin war es Ende August und so viele Urlauber wollten daher nicht mehr hinüberfahren.

Als ich im Büro der Fährengesellschaft ankam und mein Ticket vorlegte, wurde ich breit angegrinst.

„Ihre Fahrt ging gestern los! Ihre Reservierung ist hinfällig“, meinte die Frau hinter dem Schalter freundlich. „Aber laufen Sie doch mal rüber zum Hafenbüro und fragen, ob die noch einen Platz frei haben, dann können Sie noch mit. Und wenn die gut drauf sind, dann tun die so, als würde heute gestern sein und Sie müssen kein neues Ticket kaufen.“


Das war doch mal eine Aussage! Also ging ich nach draußen und suchte die verantwortlichen Damen und Herren. Als ich dann mein Auto abschließen wollte, fiel mir auf, dass die Batterie meines Autoschlüssels leer war. Ja, so etwas ist heutzutage möglich! Jetzt konnte ich meinen Wagen nicht mehr zentral verriegeln. Zwar konnte ich noch die Türen manuell verschließen, aber der Kofferraum blieb offen. Es gab keine Möglichkeit, ihn irgendwie manuell zu verschließen. Na klasse, dachte ich, während also mein Auto hier am Hafen mit all den dunklen Gestalten am Abend offen herumstand, trieb ich mich in ominösen Hafenbüros herum, um mein Ticket zu verlängern.

All die zuvor netten Menschen in der Hafengegend, die ebenfalls nur brav auf ihre Fähre warteten, verwandelten sich plötzlich zu Dieben und Halunken, die bereits gerochen hatten, dass mein Auto nun frei zugänglich war. Sie warteten förmlich nur darauf, dass ich es aus den Augen ließ, um die Karre auszuräumen und wohl möglich gleich ganz zu klauen. Eigentlich sollte ich den Schlüssel gleich steckenlassen, dann würde man nicht das Lenkradschloss knacken müssen, wenn ich es dann irgendwann irgendwo an einem Straßenrand wiederfinden würde und dann auch noch das dumme Lenkradschloss ersetzen lassen muss. Würde man einen wagenlosen Mann auch dann in die Fähre lassen, wenn er mit Auto angemeldet war?

Doch dann musste ich grinsen. Das Ego hatte sich mal wieder eingemischt und fürchtete sich, nachher ohne Auto im Nirgendwo zu stehen. Also ließ ich halt meinen Wagen offenstehen. Was würde das schon ändern, was ich darüber denke? Und falls jemand meinte, mein Auto mitnehmen zu müssen, dann sollte es wohl so sein…


„Ach klar, Sie können mitfahren! Wir haben noch genügend Platz und bezahlt haben Sie ja eigentlich schon“, wurde mir mitgeteilt.

Das Hafenbüro war vermutlich verdammt gut gelaunt! Ich bedankte mich freundlich und die Reise konnte also weitergehen…

Ach, waren die Griechen nett. Auch machten die Griechen bei weitem nicht so einen Aufstand wie die Italiener beim Einlass in den Bauch der Fähre. Ich erinnerte mich, dass vor der Fährenüberfahrt von Brindisi (IT) nach Patras (GR) und der Einschiffung der PKWs und Lastwagen die Italiener wie wilde Hühner herumgelaufen waren. Sie warteten gleich mit drei (!) verschiedenen Polizeiarten auf, d.h. sie kamen mit der normalen Polizei, der Militärpolizei und der leibeigenen Hafenpolizei und deren Fahrzeugen mit kompletter Bewaffnung an, nur, um zu sehen, ob es böse Verbrecher gab, die ihre Fähre nutzen wollten. Sie fischten manchmal jemanden heraus, um ganz paranoid in dessen Koffer zu schauen und liefen mit einem, ich vermute mal,  Bombensondiergerät an den Autos vorbei. Ob das Ding nun auf gleichmäßiges Uhrenticken, Uranstrahlung oder Spiderman persönlich reagiert hätte, weiß ich nicht, aber es sollte zumindest den Anschein erregen. Das Ganze vermittelte eine paranoide Atmosphäre am Hafen, dass man schon ganz automatisch in Gedanken das eigene Gepäck durchging, ob nicht irgendwo etwas Verdächtiges herumliegen könnte. Ich erinnerte mich plötzlich, dass ich noch irgendwo ein paar Wurzeln Traumkraut in der Tasche hatte. Was die italienische Polizei wohl zu einem Tütchen (legales) Traumkraut ohne jede Beschriftung sagen würde? Ich wusste es nicht… Als dann der Polizist an meiner Fahrertür stand und ich das Fenster heruntergelassen hatte, schaute er sich kritisch meinen Reisepass an. Er schaute mich an und wieder den Ausweis… In dem Augenblick dachte ich, dass ich gleich aussteigen müsse, um meinen Kofferraum zu öffnen, denn leer war der ja gerade nicht. Plötzlich klingelte das Telefon des Polizisten. Er gab mir meinen Pass wieder zurück und lief dann eilend davon. Na, dachte ich, so geht’s ja auch!

Die Griechen hingegen waren derart locker und entspannt, dass sie die Leute einfach durchwinkten. Weit und breit keine Polizei, nur ein paar Bettler, die mit aufregenden Geschichten an die Fahrertüren herankamen und um etwas Geld bitteten. Sollte ein Terrorist geplant haben, auf der Fähre eine Bombe zu platzieren, dann würde er das auch trotz verschärfter Kontrollen schaffen. Es war also unnötig.

Auf der Fähre von Piräus nach Heraklion, der Hauptstadt von Kreta, durfte ich etwas Luxus genießen. Zwei Restaurants und zwei Bars, ein hübsches Deck mit Großbildfernseher sowie vielen Gängen und buchbaren Kabinen. Wegen der neunstündigen Fahrt spekulierte ich nicht auf eine Kabine, sondern genoss einfach die so genannten Aerosessel, die ausreichend Komfort boten und sogar ein wenig an Innenräume von Passagierflugzeugen erinnerten. Dazu gab es noch einige Fernseher, die an den Wänden hingen und bei geringer Lautstärke vor sich hindudelten.

Während der Fahrt schaute ich der Endzeremonie der Olympischen Spielen zu. Plötzlich gelangte ich irgendwie in einen veränderten Bewusstseinszustand und sah nicht nur die Fähre von der Luft aus, sondern auch meine Verhaltensweisen, d.h. vom Moment des Beginns meiner Fahrt in Deutschland an bis zum jetzigen Zeitpunkt, aus einer alternativen Realität heraus. Ich hatte mich in dieser anderen Realität dazu entschlossen, aus einem symbolischen Protest heraus, während der Olympischen Spiele, nach Athen bzw. Griechenland zu begeben, um die Welt daran zu erinnern, dass die Alten Griechen die Olympiade erfunden hatten, um den Völkern der Welt die Möglichkeit zu bieten, sich in Spielen und nicht in Kriegen zu messen. In der alternativen Realität bezog ich Athen, weil Hauptstadt, um dort einige Zeit zu verbleiben. Dem hatte ich in meiner Realität hingegen auch in gewisser Hinsicht und bis zu einem bestimmten Punkt durchaus Folge geleistet, aber nicht dauerhaft, denn nun setzte ich meine Reise fort, während ein anderer Jonathan weiterhin in Athen verblieb. Dies war eine spannende Erfahrung, dass ich aus einer neutralen Perspektive heraus zwei Jonathane gleichzeitig betrachten und beobachten konnte.


Als ich dann mit meinem Auto aus der Fähre herausfuhr und das Hafengebiet verließ, war ich ziemlich überrascht! Kreta sah aus wie Mexiko! Die Gegend war teilweise wüstenähnlich mit kleinen Bergen und Büschen, die hin und wieder auftauchten. Es fehlten nur noch die Kakteen und umherwehende Strauchbüsche bzw. Steppenläufer, die kugelförmig die Geisterstadt durchrollten. Jeder Wohnwagen, der irgendwo in der Landschaft herumstand, befand sich gleich im Verdacht, dass darin Crystal Meth gekocht wurde und jeden Moment die Tür aufflog und Doc Heisenberg und Pinkman herausstürmten, um mal wieder ein wenig zu lüften. Autos, die mir entgegenkamen, waren ziemlich verschmutzt, die Fenster heruntergekurbelt, der Arm lässig auf dem Fenster hängend und der klassische Rosenkranz hing am Innenspiegel. Eine neue Welt wartete auf mich. Ich hatte mit Kreta und philosophischen Griechen gerechnet, aber es war Mexiko.

Doch keine Angst, die Drogenpolitik in Griechenland ist verdammt hart und selbst ein Joint wird höchst ungern gesehen! Mexiko ist da sicherlich viel lockerer, doch die Griechen verstehen da überhaupt keinen Spaß. Selbst Marihuana medizinisch anzuwenden, empfinden sie vermutlich als schwache Ausrede. Kein Wunder, denn die gute Luft und die gute Nahrung lösen auch so schnell keine Krankheiten aus, die man mit Marihuana heilen müsste – zumindest auf Kreta. Zwar habe ich über Athen und anderen Städten Chemtrails beobachten können, aber über Kreta war weit und breit nichts zu sehen, obwohl es hier zwei große Flughäfen gab und man die Flugzeuge immer deutlich erkennen konnte. Der Himmel blieb ständig blau, ohne jede Trübung, Streifen, Nebel oder sonst etwas. Der Unterschied war äußerst auffällig, denn ich war nun von Deutschland aus bis hinunter nach Kreta gefahren und konnte mir all die Himmel ansehen. Überall waren Chemtrails zu beobachten, aber nicht über Kreta. Ich vermute, dass die Insel einfach zu klein ist und eine Platzierung von Chemtrails hier sehr schwierig ist.

Nachdem ich das Hafengebiet verlassen hatte, fuhr ich nach Heraklion. Sie ist die größte Stadt auf Kreta und besitzt über 150.000 Einwohner. Auch hier erwartete mich gleich chaotischer Straßenverkehr und die wohl schmalsten Straßen der Welt. Um an den Autos vorbeizukommen, durfte man langsamer als Schritt fahren und die Außenspiegel berührten beinahe die geparkten oder entgegenkommenden Autos. Wenn man hier nicht das Manövrieren erlernte, dann vermutlich an keinem anderen Ort.

Glücklicherweise war mir das Manövrieren nie schwer gefallen, aber vielleicht sollte man auch nicht gleich todesmutig mitten durch die Innenstadt fahren – auch wenn es erlaubt war. Es war schon ein wenig herausfordernd, muss ich zugeben. Ich ertappte mich dabei, wie ich darüber nachdachte, dass jeder Autofahrer sein Auto derart intuitiv parkte, dass man noch so eben vorbeikommen konnte. Trotz der schmalen Straßenengen kam man zu seinem Ziel. Es war, als wüsste jeder der Parker intuitiv, wie weit er sein Auto maximal in die Straße hineinragen lassen sollte, um sich kein Hupenkonzert einzufangen. Ich konnte mir schwer vorstellen, dass jeder von ihnen ein Maßband dabei gehabt hatte, um dies eben auszumessen. Es passte überraschenderweise immer.

Heraklion ist eine sehr interessante Stadt, auch wenn ich sagen muss, dass es viele heruntergekommene Viertel gibt, die mich teilweise an manche Vororte Berlins erinnerten, mit Graffiti und mit an den Häusern abgeblättertem Putz. Die Innenstadt wirkte mit seinen sandfarbenen und weißen Gebäuden ebenfalls wie Mexiko City. Der Einfluss Spaniens und Mittelamerikas war auf Kreta deutlich zu erkennen. Doch dieser südländische Stil besaß seinen ganz eigenen Charme. Sogar einen Starbucks konnte ich entdecken. Doch wenn man sein Auto in einem Parkhaus parken möchte, das ist für einen Deutschen erst einmal gewöhnungsbedürftig, stellt man seinen Wagen vor dem Eingang und mit steckendem Schlüssel ab. Einer der Angestellten parkt dann den Wagen im Parkhaus. Man muss als Tourist also nicht das Parkhaus betreten.

Die Fußgängerzone wirkt auf den ersten Blick ein wenig leer und langweilig, aber das liegt daran, dass die Griechen abends aus ihren Löchern kommen. Viele Geschäfte öffnen erst am Abend und dann ist die Innenstadt mit unendlichen warmen Lichtern versehen. Mich interessierte die Stadt Chania viel mehr und plante deshalb, nur für die heutige Nacht in Heraklion zu verbleiben und gleich morgen dorthin weiterzufahren…

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