Website-Icon Jonathan Dilas – Schriftsteller, Blogger und Künstler

Staatenlos: Rom bei Nacht (Teil 4)

Reisefieber und staatenlos

‚Staatenlos‘ ist eine neue Rubrik, in der ich Artikel von meiner Reise durch Europa verfasse, über die Abenteuer, die auf mich warten und mit Fotos und Videos untermalt werden. Diese Artikel erscheinen nicht immer auf der Hauptseite! Also immer wieder mal auf der linken Seite auf diese Kategorie klicken und nachschauen, ob ein neuer Artikel oder Foto oder Video veröffentlicht wurde…

Am anderen Morgen in Zimmer 101 schlug ich die Augen auf und schaute mich um. Es war noch etwas früh, vielleicht halb neun. Ich stand auf und warf einen Blick aus dem Fenster. Unten erkannte ich den Platz, auf dem ich mein beladenes Auto geparkt hatte und die vielen Tische und Stühle, auf denen am gestrigen Abend noch so viele Leute gesessen und geredet hatten. Plötzlich sprang ein riesiges Tier aus dem Nichts auf den Platz. Es war vermutlich 10 m hoch und glich einem Krokodil. Mit einem riesigen Maul fraß es eines der Autos, die dort standen… Gut, ich schlief noch und träumte dies alles nur… aber witzig war es trotzdem!

Es war Zeit nach Rom zu reisen.  Ich checkte aus und ging erst einmal in Ruhe frühstücken. Nach dem köstlichen Mahl sollte die Reise nach Rom in Frage gestellt werden, denn als ich in mein Auto stieg, um loszufahren, klang er plötzlich und ganz unverhofft wie ein fetter Porsche! Der Motor röhrte und tuckerte. Es war klar, irgendetwas war defekt!

Ich stieg bei laufendem Motor aus und konnte ziemlich schnell den Fehler ausfindig machen. Ich erinnerte mich, dass ich am gestrigen Abend über einen größeren Huckel gefahren war. Vermutlich hatte sich da mein bereits etwas angerosteter Auspuff verabschiedet. Dieser war mir bereits beim Kauf aufgefallen, aber ich dachte, dass dieser noch länger halten würde. Ich hatte wohl nicht mit dem bösen Huckel gerechnet…

Also fuhr ich habe in die nächste Nissan-Werkstatt. Als ich in der Mittagshitze dort ankam, konnte ich mich schnell zum einzigen Mitarbeiter des Autohauses durchfragen, der Englisch sprechen konnte. Er teilte mir mit, dass er einfach keinen Platz mehr für mich zur Verfügung stellen könne, weil er völlig überladen mit Reparaturen sei. So vermittelte er mich gleich weiter an einen anderen Mechaniker aus der Umgebung.

Als ich den Zielort erreichte, empfing mich der Meister freundlich, doch er sprach nicht ein einziges Wort Englisch. So versuchten wir uns schlichtweg telepathisch und mittels Gesten zu verständigen. Nachdem er den Auspuff gehört hatte, war ihm bereits deutlich geworden, was das Problem war. Da es zu lang gedauert hätte, einen neuen Auspuff zu bestellen, schlug er vor, diesen einfach zusammenzuschweißen und ich sollte derweil ein Stündchen auf mein Auto warten.

Was soll ich sagen? Er war ein einfacher Mechaniker mit den klassischen nackten Playboy-Bunnies auf dem Klo und einem vergleichbaren Kalender in seinem Büro. Auf dem Augustblatt blickte mich lüstern eine vollbusige und braungebrannte Frau im hautengen schwarzen Bikini mit platziertem Blickfang-Dekolleté an. Aus einem betagten Radio tönte Tears for Fears. Irgendwie war hier alles wie in den 80ern…

Als er seine Arbeit beendet hatte, war der Auspuff wieder zusammengeschweißt und einsatzfähig. Nun gut, im Stand rappelte es noch ein wenig, aber das Auto war wieder voll einsatzfähig. Kurz darauf saß ich also wieder in meinem Wagen auf dem Weg zur Lieblingsstadt der Italiener. Das Städte-Hopping war noch nicht beendet…

Nach einer Reise von 4,5 Stunden kam ich in Rom an. Durch die notwendige Reparatur am Auto, kam ich aber erst bei Dunkelheit in den Genuss. Das Hotel befand sich mitten in der Innenstadt… und es war verdammt gut versteckt!


Glücklicherweise fand ich es endlich gegenüber einem Theaterhaus. Vor mir erstreckte sich nun eine riesige, graue, lädierte Tür, die sicherlich vier Meter hoch und drei Meter breit war. Jedoch war in dieser riesigen Tür eine kleinere eingebaut worden und so ging sie verhältnismäßig leicht auf. Sie sah zwar sehr mitgenommen und dreckig aus diese Tür, aber das sollte keineswegs Rückschlüsse auf das Hotel und die Zimmer ziehen lassen.

„Sie bekommen Zimmer 10……9.“
Ich dachte schon, es wäre wieder 101 gewesen.
Das Hotel besaß ein altes Treppenhaus und einen uralten, klassischen und offenen Fahrstuhl, in den man noch hineinschreiten und eine Gittertür zuziehen musste. Auch die Zimmertüren, Gänge und vielen braunen Holzverkleidungen wirkten über hundert Jahre alt und älter. Sehr englisch und nobel.

Im Gespräch mit dem Portier, der mich zu meinem Zimmer geleitete, stellte sich heraus, dass in diesem Hotel einst königliche Herrschaften gewohnt hatten. Es verfügte über 60 Zimmer und diese waren trotz ihrer Altertümlichkeit hochmodern ausgerüstet. Auf jedem Zimmer gab es einen großen Flachbildschirm mit Blueray-Player und selbst im Bad konnte man per Knopfdruck auf einem im Spiegel eingelassenen Bildschirm das Fernsehprogramm weiter anschauen. Alles war miteinander vernetzt und modern. Doch die Geräuschkulisse der Stadt war in diesem Zimmer unüberhörbar. Ständig fuhren Autos vorbei und massig Touristen liefen unter dem Fenster entlang.

Suji 100%

Kurz darauf lief ich noch durch die Straßen und Rom erschien mir auf dem ersten Blick wie New York. Es gab viele Restaurants, Cafés, Kinos, Theater- und Opernhäuser, Schauspielschulen und noble Schlemmerbäckereien mit bunten und hellleuchtenden Schriftzügen. Trieb man sich jedoch in Nebengassen herum, traf man schon mal auf die eine oder andere fette Ratte nahe irgendwelcher Mülltonnen. Wie flinke Wiesel huschten sie zwischen den Tonnen entlang, stets bemüht, sich den Augen der neugierigen Menschen zu entziehen, weil sie wissen, dass sie sich nicht besonderer Beliebtheit erfreuen.

Immer wieder gelangt man auf schöne, große Plätze mit beeindruckenden Springbrunnen. Häufig saßen dort die Menschen und machten Selfies oder schmusten miteinander. Ein romantischer Platz, der auch oft in Filmen zu sehen war, der so genannte  Najadenbrunnen (ital.: Fontana delle Naiadi) auf dem Platz der Republik (Piazza della Republica). Mystische Wesen des Elements Wasser erheben sich aus dem feuchten Nass und blicken hinein in die Welt der Menschen. Springbrunnen gibt es wirklich viele in Rom. Doch ich wollte mir unbedingt den Najadenbrunnen anschauen.

Am andern Morgen nahm ich mir vor, mir diesen wunderschönen Brunnen noch ein mal bei Tageslicht näher anzusehen. Immerhin zeigte er Naturwesen, die aus dem Wasser entstiegen und sich an die Oberfläche wagten. Was hatte sie dazu veranlasst? Warum kamen sie aus ihren Verstecken heraus und was hatte sich der Künstler überhaupt dabei gedacht?

Die Figuren wurden von dem italienischen Künstler und Bildhauer Mario Rutelli im Jahre 1912 konzipiert und erschaffen. Sie stellen Nymphen dar, die hinauf zur Wasseroberfläche kommen und dort mit Meerestieren spielen. Der Mensch bleibt hier stiller Beobachter der eingefrorenen Szene. Die Naturwesen sind die so genannten Najaden (Naias). Dabei handelt es sich um eine griechische Bezeichnung, die den Nymphen zuteil wird. Diese Wesen leben zumeist unter dem Wasser und es werden ihnen gute als auch schlechte Eigenschaften nachgesagt. Wenn man sich mit ihnen anfreunden sollte, können sie sehr eifersüchtig werden und einen verzaubern – entweder mit Blindheit schlagen oder andere Flüche dieser Art waren im Bereich des Möglichen. Doch das Wasser, in dem sie sich bewegen, dem sagt man unglaubliche Heilkräfte nach. Aus dem Grund sind viele Menschen losgezogen und haben nach den Gewässern gesucht, in denen sich Nymphen aufhielten. Neben den Heilkräften löse es prophetische Visionen bei demjenigen aus, der davon trinke. Somit ein begehrenswertes Gesöff, kann man sagen. Kein Wunder, dass somit immer wieder Geschichten auftauchten, die den suchenden Menschen in waghalsige Abenteuer gestürzt haben.

In der Mythologie wird gesagt, dass die Wassernymphen entweder von Zeus oder von Okeanos erschaffen wurden, um sich hauptsächlich in Seen, Quellen, Bächen und Flüssen aufzuhalten. Da fragt man sich doch, wieso der Künstler von Meerestieren spricht. Trotzdem ist dies sehr interessant, denn Zeus, der hoch oben in seinem „Olymp“ saß und die Welt beobachtete, war aufgrund seiner unendlichen (technischen?) Möglichkeiten in der Lage, solche Wesen zu erschaffen bzw. ins Leben zu rufen und wurden fortan als Töchter des Zeus bezeichnet, sprich ebenfalls Wesen mit göttlichen Eigenschaften. Okeanos war ein Untergebener Zeus bzw. wurde als sehr mächtig beschrieben, aber nicht so mächtig wie der Gottvater selbst.

Die Najaden (Nymphen) sind also Teil der griechischen Titanengeschichte, in denen Götter und Halbgötter auf Erden wandelten und zum Graus der Menschen die ganze Zeit über die wahnwitzigsten Spiele gespielt haben. Viele Menschen verehrten die Götter und nur wenige glaubten in ihnen Wesen zu erkennen, die ebenso gefühlsbeladen und körperlich verletzbar wie die Menschen, aus einer anderen Welt gekommen waren und ein Interesse dazu besaßen, die Menschen für ihre Olymp(ischen) Spiele zu nutzen. Heutzutage gehen manche davon aus, dass dies Außerirdische gewesen sind, die mit Vorliebe genetische Experimente an Menschen und Tieren ausgeführt hatten und solche Wesen wie Minotauren, Gorgonen, Zentauren und andere Wesen dieser Art ins Leben riefen. Sie kreuzten einfach Tiere mit anderen Tieren oder gar Menschen, um zu sehen, was sich daraus bilde.

In der Geschichte tauchen viele Nymphen auf, doch Egeria ist vermutlich eine der bekanntesten. Sie soll eine Begegnung mit dem König von Rom namens Numa Pompilius erlebt haben und die beiden verliebten sich ineinander. Egeria war aufgrund ihrer prophetischen Gabe die beste Beraterin, die er sich zu jener Zeit an seine Seite stellen konnte. Nur mit ihrer Hilfe konnte der besagte König zur weisen Herrschaft gelangen.

Da Nymphen jedoch viel länger als Menschen leben, musste sie in tiefer Trauer zusehen, wie Numa älter und älter wurde und dann verstarb. Nymphen sind hochgradig monogam und sie konnte seinen Tod einfach nicht überwinden. Also zog sie in die Ferne nach Aricia und beschloss, sich selbst in eine Quelle zu verwandeln. Noch heute gilt die Quelle und Grotte als ein beliebter Ort, den Maler für Ihre Bilder einsetzen. Selbst der berühmte Dichter Goethe schrieb im Jahre 1786, dass er die Grotte der Nymphe Ageria besucht habe. Noch heute kann man dorthin, um sich die kleine Grotte bei Rom anzusehen. Hierbei wird es sich aber vermutlich um eine Nachbildung handeln.

Ähnlich wie man die Gargoyles in ihrer Funktion als Wasserspeier kennt, so werden Nymphen sehr gern in Verbindung mit vielen Springbrunnen in der Welt gebracht. Doch da in den Brunnen keine Nymphen anzutreffen sind, ist es auf der Suche nach ihnen und ihrem Gewässer vielleicht ratsamer, vereinsamte Sümpfe und Seen aufzusuchen. Dort könnten sie unter der Wasseroberfläche leben.

Auch viele Maler, wie beispielsweise Arnold Böcklin, wurden von den Nymphen musegleich inspiriert und noch heute kann man sein Werk im Kunstmuseum von Basel vorfinden.

Najaden bzw. Nymphen waren immer sehr blass, bildhübsch und emotional instabil, wenn man den Legenden Glauben schenken kann. Ich habe einmal vor Jahren einen Text verfasst, der den Titel „Verborgene Feen„. Darin trifft der Protagonist auf einen geheimen Ort, an dem Nymphen leben und weiß aufgrund seiner Unwissenheit nicht, um welche Wesen es sich wohl handeln mag und benannte sie einfach als Feen. Tatsächlich jedoch handelte es sich hierbei um Wassernymphen, die mit ihrem Wissen um ihre magische und betörende Ausstrahlung, sirenengleich, mit Vorliebe spielen.

Doch leider besaß ich nicht mehr die Zeit, mich weiter mit den Thema der Nymphen zu beschäftigen, denn ich wollte mir noch das Kolosseum anschauen. Immer wieder das beliebteste Ausflugsort der meisten Touristen… und vor allem waren auch die Asiaten wieder begeistert von der vielen Kultur, die es dort anzutreffen gab.

Das Kolosseum wirkte gigantisch und die auf das Gebäude zuströmenden Menschen erschienen wie kleine Miniaturfiguren gegen das gelungene Bauwerk. Die vielen hohen Eingänge bzw. Einlässe wirkten auf mich wie Tore in andere Welten. Ich erinnerte mich sofort an einen Traum, den ich einmal hatte. Darin landete ich auf einen abgelegenen Platz, der eine Art Bahnhof war, um durch Tore in andere Welten zu gelangen. Dieser Platz und das Gebäude umher glich auffällig dem Kolosseum. Fünfzig Meter hoch mit insgesamt 240 Arkaden, die leider in Mitleidenschaft gezogen wurden und ein Drittel des Bauwerkes zerstört wurde. Ein verträumtes Amphitheater mit Geschichte, kann man sagen. 50.000 Besucher hatten dort Platz und nach der Fertigstellung im 1. Jahrhundert diente es primär für diverse Gladiatorenkämpfe und andere Vergnügen, in denen die einen hingerichtet wurden und die anderen zusehen durften. Leider war es nicht erdbebensicher gebaut worden und aus dem Grund ist es nun etwas lädiert.

Die meisten Fotos vom Kolosseum stellen es als Trapez dar, in dem es oben schmaler zuläuft. Dem ist jedoch nicht so, denn dabei handelt es sich nur um stürzende Kanten in der Fotografie. Anhand einer Grundrisszeichnung kann man die überaus gelungene Konzeption des Kolosseums bemerken. Ein wirklich gelungenes Gebäude, auch wenn es zumeist für grausame Spiele benutzt wurde.

Nachdem ich mir noch das eine oder andere angeschaut hatte, war es Zeit, meine Fähre zu erwischen. Sie würde von Brindisi abfahren und nach Piräus übersetzen. Piräus, dies sollte erwähnt werden, liegt keine zwanzig Minuten von Athen entfernt. Mit Sicherheit eine weitere interessante Stadt, die man gesehen haben sollte.

Während ich mich auf den Weg nach der ziemlich heruntergekommenen Hafenstadt Brindisi machte, beschlich mich ein seltsames Gefühl…

.
Quellen:
Matrixseite Lyrik
Goethe Zeitportal
Wikipedia Najas
Weltwunder Online
Segu Geschichte

Die mobile Version verlassen