‚Staatenlos‘ ist eine neue Rubrik, in der ich Artikel von meiner Reise durch Europa verfasse, über die Abenteuer, die auf mich warten und mit Fotos und Videos untermalt werden. Diese Artikel erscheinen nicht immer auf der Hauptseite! Also immer wieder mal auf der linken Seite auf diese Kategorie klicken und nachschauen, ob ein neuer Artikel, ein Foto oder Video veröffentlicht wurde…
Heute nahm ich mir vor, eine der nördlichen Spitzen Kretas zu erkunden. Also stieg ich kurzerhand ins Auto und fuhr über Kolympari Richtung Afrata. Von dort aus hoffte ich, irgendeine befahrbare Straße zu entdecken, die mich mal bis ins Grüne beförderte. Wieso ich da nun hinwollte, nun, das ist mir eigentlich nicht klar, aber ich dachte mir, manchmal muss man auch einfach losfahren und schauen, wo es einen hinführt…
Kolympari liegt sehr nahe bei Kissamos, einer Industriestadt, die auch interessant anzusehen ist, aber den Charme von Chania oder Rethymnon erreicht sie bei Weitem nicht. Doch die Umgebung ist recht einsam und man kann Orte erkunden, die von Touristen selten in Betracht gezogen werden.
Einkaufen kann man fast überall in diesen Städten. Es gibt unzählige Tante-Emma-Läden und nur wenige Supermarktketten wie „IN.KA“ oder „Carrefour„. Das meiste Obst und Gemüse ist lokal angebaut und daher fast immer automatisch ein echtes BIO-Produkt. Leider hat niemand der griechischen Bauern das Geld, sich für seine Produkte ein BIO-Prädikat zu erkaufen, während ausländische Firmen über das Geld zwar verfügen, aber wiederum kein wirkliches BIO anbieten. Eine verrückte Welt. Jedenfalls sollte man auf Kreta niemals etwas kaufen, das als BIO deklariert wird. Die normalen Produkte, die offen in den Regalen ausliegen, kann man ohne jede Verpackung bedenkenlos einkaufen.
Also entschied ich mich, todesmutig wie ich bin, trotzalledem ein wenig weiter hinaus in die wilde Natur zu fahren… So fuhr ich noch einige Kilometer gen Norden. Glücklicherweise hatte mein Navi eine Offline-Funktion und so konnte ich zumindest prüfen, an welcher Stelle ich mich ungefähr befand. Nur sehr langsam rückte mein Ziel, das ich ganz spontan ausgewählt hatte, d.h. irgendwo im Grünen markiert, um zumindest irgendeinen Anhaltspunkt zu besitzen, immer näher. 5-10 Minuten pro Kilometer waren dabei üblich.
Nun tauchte nach der nächsten Bergkuppe eine Herde Ziegen wie aus dem Nichts auf. Sie lagen auf dem Schotterweg herum und guckten mich blöd an, als ich vor ihnen zum Stehen kam… Na ja, eigentlich hatte ich es ja nicht anders verdient, denn ich war der Fremde hier, den man auch mal ruhig entsprechend anblicken durfte. Da ich natürlich immer noch nicht bei der Werkstatt gewesen war, um mein Auto durchchecken und den Auspuff austauschen zu lassen, ratterte dieser gerade ein wenig vor sich hin, als ich vor der Ziegenherde stand. Sie fühlten sich sichtlich gestört, erhoben sich und machten mir recht schnell Platz.
Ich hielt an und wollte ein Foto von ihnen machen, aber da sie vermutlich noch nie jemanden mit einem Smartphone in der Hand gesehen hatten, waren sie doch sehr verhalten. Kurzerhand hüpften sie von der Straße und retteten sich hinter einem der Büsche. Von dort schauten sie mich misstrauisch an. Ich machte ein kurzes Video von ihnen und beschloss, weiterzufahren.
Irgendwie wirkte dies wie das Dach eines Bunkers, aber wer sollte so etwas in der Einöde errichten? Der Sinn wäre doch völlig verfehlt gewesen. Es sei denn, es war ein geheimer Zugang zu einer unterirdischen Anlage, aber auch dies schien mir unlogisch, denn dann wäre dieser sicherlich besser getarnt gewesen. Also stand ich davor und überlegte, wofür diese Vorrichtung gedacht war.
Als ich es ein paar Mal umrundet hatte, fiel mir zusätzlich noch ein längliches Becken auf, das vielleicht 1 m breit und 6 m lang war. Das Ganze schien mir sehr mysteriös zu sein und ich fand keine direkte Erklärung für diese Anlage. Kurzerhand stellte ich mich auf die Betonplatte und hob mit Kraft einen der Metalldeckel an, um hineinzublicken. Es war sehr dunkel im Inneren, aber ich erkannte sehr viel Wasser. Wenn es ein Innenleben in dieser Anlage gab, dann stand dieses höchstwahrscheinlich ziemlich unter Wasser. Als ich den rostigen Deckel wieder schloss, ertönte ein lautes Quietschen. Man, die Schaniere mussten aber mal wieder geölt werden!
Jetzt erkannte ich zumindest den gegenwärtigen Sinn dieser Anlage! Das Becken vor der Anlage war eine Tränke und mit dem Schlauch wurde das Wasser aus dem Inneren dort hineingeleitet, damit die Schafe etwas zu Trinken bekamen. Auf Kreta regnet es eben ziemlich selten und die Tiere mussten regelmäßig getränkt werden. Somit war deutlich geworden, dass diese Anlage eine Art Brunnen war. Na, von wegen geheimer Bunkerzugang, verborgene Aliens oder militärischer Außenposten! Was immer dies einst gewesen war, nun war es eine Schaftränke.
Die Schafe mähten noch vor sich hin, trauten sich aber nicht näherzukommen, da ich vermutlich nicht so aussah wie ihr Besitzer. Interessanterweise erkannten sie aus 50 m Entfernung, dass ich ihre Tränke nicht mit Wasser gefüllt hatte. Vermutlich benötigte man dafür noch den Anschluss einer kleinen Pumpe, die ich nirgendwo entdecken konnte, andernfalls hätte ich ihnen eine Runde spendiert…
Ich stieg wieder in meinen Wagen und fuhr weiter. Die Schafe schauten mir verwundert hinterher. Fragezeichen ploppten über ihren Köpfen wie Seifenblasen auf und zerplatzten… zumindest schien es mir für einen kurzen Augenblick so.
Für heute hatte ich also einiges gewagt und dem sollte auch genügen. Also drehte ich um und wollte den Weg wieder zurückfahren, den ich gekommen war. Doch nach nur einem halben Kilometer entdeckte ich auf der linken Seite ein verlassenes Steinhaus. Ich war sehr überrascht, denn auf dem Hinweg hatte ich dieses Haus nicht gesehen, obwohl es auf einer Anhöhe stand. Es war also für Menschen auf dem Hinweg sehr gut getarnt gewesen. Abermals stieg ich aus und ging hinauf zu dem Haus.
Es gab mehrere Erklärungen, wie ich in diesem Moment fand. Im Haus entdeckte ich vom Grundriss her ein großes Wohnzimmer, zwei Schlafräume, eine Küche, einen großen Keller und eine sehr große Terrasse, die mit einer Mauer aus aufgetürmten im Halbkreis aufgestellten Felsgestein aufgebaut war. Diese Mauer wirkte schon ein wenig militant, wie ich fand, aber war gleichzeitig hübsch anzusehen.
Auf dem Boden entdeckte ich unzähliges Schaf- und Ziegenkot. Offenbar verschanzten sie sich hier bei strenger Hitze, um etwas Schatten zu haben oder bei Sturm Schutz genießen zu können. Außerdem entdeckte ich dort eine dicke Holzplatte, die den Weg zu den Kellerräumen verdeckte. Ich hob den Deckel an. Eine Steintreppe führte nach unten. Ich stieg auf die erste Stufe und leuchtete mit dem Smartphone ins Innere. Dort gab es nichts Besonderes zu entdecken, auch schien mir diese Treppe höchst instabil und stieg nicht hinunter.
Irgendwie besaß er eine richtige Faszination. Ich hob ihn auf und schaute ihn mir an. Dann legte ich ihn auf die Fensterband und ließ es mir nicht entgehen, diesen im geeigneten Winkel zu fotografieren. Na, ich hoffe, das Foto vermittelt ein wenig von der Faszination blanker Schädel…
Okay, Biologe bin ich nun keiner… vielleicht war es auch ein geflohener Alien, der hier Zuflucht gesucht hatte und dann von hereinrennenden nach Schutz suchenden Ziegen und Schafen sinnlos überrannt wurde… Wer weiß das schon? Doch ging ich erst einmal von einer Ziege aus… einer recht kleinen Ziege vielleicht.
Irgendwann erhob ich mich und ging zu meinem Auto zurück. Treu wie eh und je hatte es auf mich gewartet und ich setzte mich hinein. Das Wetter war mit seinen 25 Grad und Sonne optimal für solche Erkundungen gewesen, doch nun war es an der Zeit, wieder zurückzukehren. Es war ein schöner Ausflug gewesen und während ich nach Hause fuhr, dachte ich über die Familie nach, die in diesem Haus gewohnt hatte… Wer waren sie und warum waren sie gegangen? Wieso war der Schutzwall des Hauses ins Landesinnere gerichtet? Was befand sich ganz oben im Norden?
Später recherchierte ich ein wenig und konnte herausfinden, dass man mit dem Schiff an die nördliche Spitze fahren konnte und der dortige Strand ziemlich gute Bewertungen besitzt. Natürlich gab es dort noch viel mehr zu sehen als nur dieser nette Geheimtipp für Schwimmen und Schnorcheln. Vielleicht würde ich irgendwann zurückkehren und mir auch dort die Gegend ansehen. Immerhin bleiben die Fragen unbeantwortet…