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Vampire in Konstanz

Kurzgeschichte Vampire in Konstanz

Vampire in Konstanz

(Ein Traum wird zu einer Kurzgeschichte)

Die folgende Kurzgeschichte existierte zuerst als ein Traum. Die Länge des Traumes bot sich daher an, daraus eine Kurzgeschichte zu verfassen. So wird Dream to Reality, d.h. ein Traum zu einem Bestandteil der Alltagswelt…

(Eine fantastische Kurzgeschichte von © Jonathan Dilas)


Ich stand am See und schaute dem schönen Sonnenlicht zu, das sich über die Wasseroberfläche erstreckte und es in ein starkes Kaminrot tauchte. Ein weit gestrecktes Wolkenfeld verdeckte zum Teil die untergehende Sonne und ich sah noch zwei weiße Yachten, die langsam in Richtung Hafen schaukelten.

Mein Blick fiel nach rechts zu der ominösen Figur Imperia, die langsam und gemächlich rotierend immer wieder ihre weibliche Figur in meine Richtung drehte und auf ihren Händen einen König und einen Papst miteinander abwog. Vermutlich war sie ein Zeichen dafür, dass hinter all den Regierungsformen, wie immer sie auch aussehen mögen, eine Frau stand, die ihren Einfluss einzusetzen wusste oder die Macht des Papstes mit der des Königs zu vergleichen trachtete. Dennoch wirkte diese langsam rotierende, riesige Figur geradezu aus einem Traum entsprungen, der sich in mein Bewusstsein geschlichen zu haben schien, ohne dass es mir aufgefallen war und nun vor sich hinleierte, als sei ich der Spielball meines Unbewussten.

Langsam wandte ich mich von ihr ab und ging rechts am See entlang, passierte das Sealife Aquarium und gelangte dann an steiniges Ufer, an das mich setzte und einige der Steine ins Wasser warf. So verging die Zeit und die Spaziergänger der Promenade verschwanden immer mehr ins Nichts.

Irgendwann war ich nur noch allein mit dem Wind und dem Rauschen des Wassers und schleichend zog die Dunkelheit über die Stadt. Die raffiniert aufgestellten und wohl platzierten Laternen und Lichterketten der Restaurants sendeten ihre Lichter über den See hinaus und erzeugten ein romantisches Funkeln auf der Wasseroberfläche.

Ich erhob mich von meinem anmutigen Platz und lief ein wenig weiter die Promenade entlang, bis sie ihr Ende an einem Abhang fand. Kaum als ich mich umdrehen und den Weg wieder zurückgehen wollte, vernahm ich deutlich den erstickten Schrei einer Frau. Ich hielt inne und drehte mein Ohr aus dem Wind, um mehr vernehmen zu können.

Da war es wieder! Ein kurzer Schrei, als ob sich eine Frau gegen etwas wehrte oder um Hilfe zu rufen versuchte. Sofort dachte ich an eine versuchte Vergewaltigung und lief in die Richtung, aus der der Schrei gekommen zu sein schien.

Flink lief ich den kleinen Abhang hinauf und entdeckte dahinter eine kleine Buschgruppe. Schnell umlief ich die Büsche und rannte eine kleine Böschung herunter. Plötzlich stand ich wieder fast am Ufer des Sees. Ich hätte auch anders herum laufen können, dachte ich noch für den Bruchteil einer Sekunde, als ich zwei schlanke Männer erblickte, die eine Frau gängelten, indem sie sie hin- und herstießen. Sie wollte abermals schreien, aber deren Stöße gegen ihren Körper waren so heftig, dass sie ins Straucheln geriet und ihr immer wieder die Luft aus den Lungen trieben.

Es schien keine Vergewaltigung zu sein, das sah ich sofort, aber diese Frau wurde ziemlich grob behandelt und ohne über die Situation nachzudenken, lief ich auf die Männer zu und rief, dass sie sie in Ruhe lassen sollten.

Augenblicklich drehte sich einer der Männer zu mir und ging langsam, aber zielbewusst auf mich zu, während der andere Mann die Haare der Frau ergriff und sie zu sich hinzog. Er drehte ihren Kopf zur Seite und legte ihren Hals bloß.

Nun klopfte er mit seinen dünnen Fingern auf ihre Halsschlagader, während er mich gleichzeitig provokativ anschaute und lächelte. Nun erblickte ich zwei elfenbeinweiße Zähne, die mir entgegenblitzten und mir zugleich das Geheimnis dieser kleinen Seeromanze ins Bewusstsein hob: Hier hatten zwei Vampire ein junges Opfer entdeckt und ich war definitiv der Störfaktor.

Der andere Vampir kam jetzt in meine Reichweite und ich dachte fieberhaft darüber nach, wie ich mich gegen ihn zur Wehr setzen könnte, denn ich hatte nichts dabei, was ich hätte verwenden können. Angetrieben vom Überlebenswillen rasten die Gedanken nun in Windeseile durch meinen Kopf, überprüften nahezu in Lichtgeschwindigkeit verzweifelt mein Portemonnaie und meinen Schlüsselbund nach der möglichen Anwendung einer provisorischen Waffe, aber es erwies sich als ein vergeblicher Versuch.

Im selben Augenblick stand er schon vor mir und zeigte mir triumphierend seine blitzenden Zähne. In diesem Moment fiel mir sein hageres und bleiches, aber auffällig schönes und filigranes Gesicht auf. Es wirkte so zerbrechlich und ätherisch, als ob er nichts mit einem Mensch gemeinsam hätte. Selbst sein Haar wirkte befremdlich und fiel in silbrigen Strähnen auf seine Schultern.

Im nächsten Moment kam es zu einer Auseinandersetzung. Ich drehte mich zur Seite und schlug nach seinem Solar Plexus, doch meine Hand berührte gerade eben nur seinen Hemdstoff, denn im nächsten Augenblick stand er schon rechts von mir und schlug mit seiner flachen Hand gegen meinen Brustkorb. Ich wurde sofort von den Füßen gerissen und flog einige Meter weit nach hinten und landete unsanft auf einigen Kieselsteinen.

Mit verzerrtem Gesicht richtete ich mich wieder auf und rieb meinen Rücken, um den bohrenden Schmerz zu lindern. Mir schwindelte gehörig und ich torkelte einige Meter nach vorn. Nun riss ich mich wieder zusammen und wartete auf den nächsten Angriff. Ich befürchtete, dass ich keine Chance gegen diesen Unhold besaß, zumal er mir sehr wendig und unglaublich schnell erschien. Mein Schlag hätte ihn normalerweise treffen müssen.

Der Angreifer hielt nun inne und wies mit einem Nicken zu seinem nun etwas weiter entfernten Freund. Er forderte mich somit spielerisch dazu auf, zu ihm und der Frau zu schauen. Ich ging langsam auf die beiden schemenhaften Gestalten zu, die sich in der Dunkelheit neben den Büschen grob abzeichneten, bis ihre Körper immer schärfer und schärfer heraustraten und ich nun abermals in aller Deutlichkeit sein grinsendes Gesicht erkennen durfte.

»Willst du nicht zusehen, was ich mit ihr anstelle …?«, sagte er und ich konnte deutlich sehen, wie die Frau nun langsam ihre Augen öffnete. Sie schien zu sich zu kommen und er schien nur darauf gewartet zu haben.

Dann strich er mit seiner Nase an ihrem Hals entlang, roch ihre frische und warme Haut und im Anschluss kam seine Zunge zum Vorschein und leckte gierig über ihre Haut, als wollte er sie schon einmal genüsslich vorkosten. Ihre Halsschlagader pulsierte und ich konnte erkennen, dass seine rechte Hand einen Griff angewandt zu haben schien, der die Blutzufuhr im Hals staute. Immer mehr trat ihre Halsschlagader heraus und wie gebannt schien ich auf meinem Platz festgefroren zu sein, als seine Zähne erneut zum Vorschein kamen und nadelspitz in die dunkelgrüne, adrige Spur zu beißen gedachten, als ich einen Schlag auf den Kopf erhielt und zusammenbrach…

Als ich wieder zu mir kam, schossen sofort die kuriosesten Gedanken in meinen Kopf und erzählten mir eine wahnsinnige Geschichte von Vampiren am Bodensee in Konstanz. Mit Schrecken musste ich sodann unmittelbar feststellen, wie sich diese Geschichte zu einem Bauwerk physischer Realität verdichtete und auf meine Augäpfel fielen, als sie das erste Licht hineinließen und mich in zwei blasse Gesichter blicken ließ, die mich schräg anlinsten.

»Ah, unser Retter ist wieder zu sich gekommen«, sagte einer von ihnen laut, als wären noch mehr Personen im Raum anwesend, die gespannt auf die nächsten Ereignisse luchsten.

Zögernd erhob ich meinen Oberkörper. In meinem Kopf drehte sich alles und mein Hinterkopf schmerzte höllisch. Zwei hilfreiche Hände halfen mir mühelos auf und als ich wieder auf meinen Füßen stand, sah ich, dass ich in der Tat von mehreren Menschen umringt war, die mich sprungbereit ansahen.

»Wo… wo bin ich hier?« fragte ich, um etwas Zeit zu gewinnen.

»Du bist hier in unserer Stadt.« antwortete der Mann neben mir. Ich wusste, dass er ein Vampir war, auch wenn er momentan recht menschlich wirkte. Während er diese Worte gesprochen hatte, konnte ich immer wieder kurz seine beiden spitzen Zähne erkennen.

»Möchtest du etwas trinken?« fragte man mich und ein lautes Gelächter ertönte.

Ich lächelte gestellt und hatte innerlich bereits mit meinem Leben abgeschlossen. Es drängten sich unaufhörlich Vorstellungen in meinem Kopf, bei dem ich als Untoter durch die Nacht wandelte, gierig lechzend nach frischem Blut aus stets neuen Hälsen weißhäutiger Frauen mit roten Lippen und spitzem Geschrei…

»Vermutlich denkt er gerade an seine neue Zukunft…«, warf jemand lakonisch ein.

Als sie mich losließen und ein wenig zur Seite gingen, erkannte ich, dass ich mich gar nicht in einem Raum befand, sondern auf einem großen Platz stand. In der Mitte des Platzes gab es einen großen, metallenen Ring, der ungefähr drei Meter hoch war. Er schien aus einem mir unbekannten, blauen Metall zu bestehen, das in einem ähnlich farbigen Licht schimmerte. Mehr als hundert dieser vampirartigen Menschenwesen hatten sich um diesen Ring versammelt und schienen auf etwas zu warten.

Mein Mund öffnete sich automatisch, da mich der Anblick ins Staunen versetzte. Ich war mir nicht sicher, ob dies irgendein außerirdisches Artefakt darstellen sollte, das diese Vampire nutzten, oder ob sie eigentlich selbst Außerirdische waren. Jedenfalls kreisten die Gedanken wild in meinem Kopf herum und suchten nach möglichen Assoziationen und Verknüpfungen.

Einige Augenblicke später begann dieser Ring zu summen und das metallischblaue Leuchten wurde stärker, bis plötzlich eine andere Welt in diesem Ring zu sehen war. Ich erkannte sehr deutlich einen vermutlich mit Marmor beschichteten Weg, in weiter Ferne im Hintergrund ein kleines Gebäude, einige verdorrte Bäume und einen dunklen, magentaroten Himmel, der an den unsrigen während eines Sonnenuntergangs erinnerte. Ich erinnerte mich für einen Moment an das schöne Kaminrot während des Sonnenunterganges am See.

Doch dieser Himmel schien ein wenig blasser zu wirken, auch erwies sich das Gebäude im Hintergrund ziemlich groß, aber da es so weit in der Ferne zu liegen schien, war die Größe nicht richtig zu bestimmen, doch erkannte ich sehr deutlich ein ähnliches Gestein. Weiter rechts erblickte ich nämlich ein weiteres Gebäude, das wesentlich deutlicher auf Marmor schließen ließ, denn dort stand zudem noch eine gigantische Pyramide. Sie war definitiv größer als die riesigen, verdorrten Bäume und erinnerte mich an Zeichnungen aus dem alten Ägypten, als die Cheops-Pyramide und Wege noch mit glänzendem Marmor überzogen waren.

Für einen Moment geriet ich in einen Zwiespalt, denn langsam dämmerte mir, dass dies vielleicht gar kein Tor in eine andere Welt darstellte, sondern vielmehr eine Art Zeitmaschine, denn das Bild dieser anderen Dimension wirkte immer mehr wie das alte Ägypten in seiner hochkulturellen Zeit vor vielleicht 4000 Jahren.

Plötzlich kamen zwei Personen in den Ring auf der anderen Seite und traten mit seiner Hilfe in unsere Welt. Der Übergang ging völlig lautlos und ohne irgendwelche sonderlichen Effekte vor sich. Sie traten einfach durch den Ring und standen nun auf dem Platz, auf dem wir uns befanden.

Erst jetzt erfasste mich der größte Schock!

Es war der Anblick dieser zwei Wesen, die durch den Ring getreten waren. Sie waren sehr zierlich und besaßen eine unglaublich helle, blasse Gesichtsfarbe. Ihre Ohren wirkten ein wenig klein und am oberen Ende spitz zulaufend. Ihre Glieder waren dermaßen zierlich, dass man meinen könnte, sie wie Streichhölzer zerbrechen zu können und doch ging von ihnen eine lähmende Gefahr aus, mit der sie ihre Opfer vermutlich willen- und bewegungslos machen konnten. Ihr Haar war silbriggrau und fielen in einer unbeschreiblichen Glätte über ihre Schultern.

Ihre Augen wirkten ein wenig größer und ihren Lippen fehlte dieses feine Rosa des Menschen und gingen vielmehr in ein dunkleres Grau über, das sich fein von ihrer Gesichtshaut abzeichnete. Sie trugen lange Gewänder, die ebenso leicht und fein wirkten wie ihre körperliche Erscheinung und vermittelten den unglaublichen Eindruck, eine eigene Intelligenz zu besitzen, die die Bewegungen der Träger vorauszuahnen schienen und sich nahezu immer wieder wie fließendes Wasser anzupassen versuchte. Es war ein grotesker, aber äußerst faszinierender Anblick.

Sie schritten nun leichtfüßig, fast schwebend über den Platz, während ihr Haar wie vom Wind angehoben, nach hinten wehte und den ganzen Moment in eine atemberaubende Zeitlosigkeit tauchte, als wenn es nur noch die reine Gegenwart gäbe, jenseits der Existenz irgendeiner Vergangenheit oder Zukunft.

Mit erhobenem Haupt kamen sie auf mich zu und zwangen ihr ganzes Umfeld in eine Art Zeitlupengeschwindigkeit, die jedoch ihre eigenen Körperfunktionen um ein Vielfaches zu beschleunigen schien. Mein Herz raste und das Blut kochte in meinem Leib, während sich die Gedanken blitzschnell und mannigfaltig in meinem Kopf überschlugen.

Als sie nur noch wenige Meter vor mir standen, bemerkte ich, dass sie nichts mit mir im Sinn hatten, sondern einfach an mir vorbeigehen wollten. Als es so weit war, wurde meine schwindende Angst durch eine unglaubliche Faszination ersetzt, die alles Gleichgültig machte, und in Anbetracht der Lage, in der ich mich befand, sogar meinen drohenden Tod.

Für diesen Moment, in dem ich diese Wesen so nah bei mir sehen und fühlen durfte, war mir der Abschluss meines Lebens ein angemessener Preis für dieses faszinierende Erlebnis, das mich in deutlichster Verführungskunst aller Zweifel enthob.

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