‚Staatenlos‘ ist eine neue Rubrik, in der ich Artikel von meiner Reise durch Europa verfasse, über die Abenteuer, die auf mich warten und mit Fotos und Videos untermalt werden. Diese Artikel erscheinen nicht immer auf der Hauptseite! Also immer wieder mal auf der linken Seite auf diese Kategorie klicken und nachschauen, ob ein neuer Artikel, ein Foto oder Video veröffentlicht wurde…
Ich hörte von einem Dorf auf Kreta, das auf der gleichen Energielinie wie Gizeh mit seinen Pyramiden und die Stadt Delphi liegt. Diese kraftvolle Linie zieht über Kreta hinweg und somit auch über das Dorf Argioupolis, das im Altertum Lappas genannt wurde. So schnappte ich meine Kamera und dachte mir, diesen Ort sollte ich doch einmal näher betrachten. Nach einigen Recherchen durfte ich entdecken, dass es dort mehrere Plätze gab, die durchaus interessant sein dürften…
Wer denkt, er würde auf Kreta verhungern, falls ihm das Geld ausgehe, der liegt völlig falsch. Fast überall gibt es kostenloses Wasser, massig Quellen mit frischem Bergwasser, manchmal sogar Brot für lau und von den Bäumen gar nicht zu sprechen, an denen Orangen, Zitronen, Feigen, Johannisbrotschoten, Granatäpfel und andere Früchte hängen. Auch sind die Preise in den etwas abgelegenen Tavernen sehr human. Für ein Getränk zahlt man oft nur einen Euro und darüber hinaus bieten Supermärkte für 5 Euro eine volle Tüte mit Obst oder Gemüse. Natürlich gibt es auch Touristen-Restaurants und -Kneipen, die Preise vorweisen, die man auch in Deutschland findet. Trotzdem lässt sich schnell ein Gericht, wie Hühnchen mit Reis, für 7 Euro finden. Ich hörte sogar von einem Mann, der seine Wohnung aufgegeben hatte und von seinem ersparten Geld nach Kreta fuhr. Als er ankam, hatte er nur noch 50 Euro in der Tasche, keinen Job und keine Orientierung von irgendwas… und er lebt immer noch.
In der alten Stadt Lappas bei 33 Grad Hitze angekommen, überfiel mich der Hunger. Also ging ich erst einmal in eine altgriechische Taverne. Dort fühlte man sich sogleich ins griechische Alltagsleben integriert. Die Familie, die das Restaurant leitete, saß gerade selbst bei Tisch und aß enthusiastisch.Der ganze Tisch war überfüllt mit Speisen unterschiedlichster Art. Neben Weißbrot, Tzatziki, Olivenöl, Huhn, Schwein, Reis, Kartoffeln, Nudeln und Soßen aller Art, entdeckte man auch das Nationalgetränk Raki. Ein recht starker Fusel, den man mit dem deutschen Weizenkorn vergleichen könnte. Dabei lief griechische Volksmusik und mehrere Katzen kamen aus den entlegensten Winkeln herbei, nur, um vielleicht einen Knochen oder gar ein Stück Fleisch abzubekommen. Als ich bestellen wollte, gab es keine Menükarte. Die Tavernenmutti zählte hingegen kurz ein paar Gerichte auf, die sie nur mit schlechtem Englisch auswendig wusste und als ich ihr sagte, was ich wollte, lief sie gleich los. Kurz darauf kam sie mit frisch gepresstem Orangensaft zurück und meinte, dass das Essen gleich folgen würde.
Ich unterhielt mich mit der Familie ein wenig bzw. mit dem Sohn der Familie, der ganz gut die englische Sprache beherrschte. Dabei konnte ich mit einigen Fragen, die sicherlich für Verwunderung bei der Familie gesorgt hatte, denn er übersetzte meine Worte gleich immer ins Griechische, damit jeder Anwesende hören konnte, was ich wollte. In Lappas existiert nämlich ein Ort, der Heiligtümer der Nymphenhöhle genannt wird. Und wo es einen solchen Ort gibt, muss sich folglich auch eine Höhle in der Nähe befinden.
Während der Unterhaltung hörte ich von einer Höhle, in der eine Nymphe leben soll. Die Höhle stünde weitgehend unter Wasser, aber sei stellenweise auch ausgetrocknet, außerdem soll sie nicht sonderlich groß sein, geradezu klein, aber trotzalledem vielleicht ein geheimer Zugang zum Reich der geheimnisvollen Nymphe. Leider wusste niemand, wo sich diese Höhle befand. Dennoch beschloss ich, mich auf die Suche zu machen… Was würde mich darüber hinaus dort noch erwarten und was gab es zu erkunden? Genau das wollte ich herausfinden…
Ein fetter schwarzer Hahn blickte mir frech ins Gesicht. Seine Augen prüften mich mit aller Sorgfalt, immerhin war festzustellen, ob ich eventuell ein neuer Nebenbuhler für seine Hühner war oder nur irgendein Idiot, der einen steinigen Weg fernab jeder Zivilisation hinunterlief, dabei Hals- und Beinbruch riskierte, nur, um einem Mythos hinterherzujagen, den selbst die Bewohner dieses Ortes vergessen hatten.
Ich war interessanterweise einfach intuitiv in das Dorf hineingefahren und hatte an irgendeinem Haus geparkt und war spontan ausgestiegen, um die Anwohner nach möglichen Höhlen in der Umgebung zu befragen. Das ist gar nicht so einfach, denn in einem abgelegenen Dorf sprechen die Bewohner ausschließlich Griechisch. Deutsch und Englisch wirken dort wie fremdes Kauderwelsch, von dem noch niemand etwas gehört hatte. Nun gut, das mag vielleicht ein wenig übertrieben sein, wie ich selbst feststellen durfte, denn nach einiger Zeit hatte ich in einem Supermarkt tatsächlich jemanden gefunden, der Englisch sprechen konnte. Mit intensivem Silberblick versuchte er mich zu fixieren und mithilfe eines rudimentären Englisch den Weg zu erklären…
„Hier vorne ist ein Weg. Gehen Sie den einfach runter. Irgendwann kommen sie dann dorthin…“
Es war unglaublich! Als ich den Weg endlich entdeckt hatte, stand ich wieder vor meinem Auto! Ich hatte direkt neben dem Weg geparkt! Und das Dorf war recht groß und es gab zig Straßen, Wege, Parkplätze und Restaurants, an denen ich hätte halten können, aber nein, ich parke direkt an dem Weg, der zur beschriebenen Höhle führte.
Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei dem schwarzen Hahn…
Mittlerweile war es nicht nur der schwarze Hahn, sondern zig Hühner schauten mich mittlerweile fragend an und ein paar Schweine grunzten genervt, während der steinige Weg recht steil hinab ins Ungewisse führte. Jetzt stand ich hier irgendwo auf der Welt auf einem übelst verlassenen Weg, den nur noch ein eierklauender Bauer nutzen dürfte und suchte nach einem Mythos über eine Nymphe, die gelegentlich an die Oberfläche kam und dann ihr Unwesen trieb.
Der Weg erstreckte sich fast bis zu einem Kilometer abwärts und aufgrund seiner Beschaffenheit, war er mal ein Fluss gewesen, der zwischenzeitlich ausgetrocknet wirkte. Immer tiefer lief ich hinunter, bis er aufhörte und links ein Weg ins Grüne führte. Es ging ein wenig steil hinunter und kurz darauf gelangte ich auf völlig glattes Felsgestein. Es wirkte wie eine riesige Platte, die dort lag – mittlerweile mit Laub bedeckt und höchst rutschig.
Dann entdeckte ich links von mir eine große Pfütze, die mit Regenwasser gefüllt war. Ich konnte mir gut vorstellen, dass die Nymphe vielleicht des Nachts herauskam und vom Wasser trank, dass sich hier gesammelt hatte, aber das war unlogisch, denn Nymphen leben ja immer im Wasser, so lange es eben geht…
Als ich genauer hinschaute, war es gar keine Pfütze, sondern ein sehr tiefes Loch. Das Wasser war zwar teilweise mit Laub bedeckt, aber so klar, dass ich hindurchsehen konnte. Es war so tief, dass ich den Grund nicht sehen konnte. Ganz offensichtlich war darunter eine Höhle, die leider völlig unter Wasser stand.
Zuerst überlegte ich, ob ich somit die Höhle gefunden hatte, klein, aber sehr tief. Doch ich wollte an dieser Stelle nicht aufgeben und mich zumindest noch ein bisschen umsehen.
Als ich diesen Teil hinter mich gebracht hatte und bereits eine Stunde lang unterwegs war, konnte ich von einer kleinen Erhebung aus endlich die Höhle im Ansatz erkennen. Doch leider war alles zugewachsen und nicht nur mit normalem Gestrüpp, sondern mit Dornengewächsen und dicken Ästen, die im Weg hingen. Mehrmals lief ich umher, damit ich vielleicht einen bequemeren Weg finden könnte, aber dem war leider nicht so. Also musste ich mitten durch die Dornen.
Zehn Minuten und zwanzig blutige Kratzern später, lag endlich die Höhle vor mir. Eins war sicher: Hier war seit Jahren niemand mehr gewesen! Alles war zugewachsen und höchst unwegsam. Offensichtlich war ich seit Jahren der Erste, der mal wieder vor der Höhle stand.
Sie wirkte mit ihrem schönen Bogen aus Felsgestein sehr einladend und ich ging auf sie zu. Doch als ich hineinschaute, erkannte ich den Grund, weshalb seit Jahren niemand mehr hier gewesen war… Im Eingang hatte sich von oben ein tonnenschwerer Felsbrocken gelöst, der nun den Zugang versperrte. Ich versuchte ein Stück weit hineinzugelangen, aber gleich was ich versuchte, für mich war der Zugang gesperrt. Es gab nur eine kleine Vertiefung auf der linken Seite, durch die nur eine sehr kleine und schmale Person gepasst hätte. Diese hätte sicherlich nicht größer als ein Kind sein dürfen… oder wie eine Nymphe…
Mit diesem Einblick in das Höhleninnere endete meine Erkundung der Nymphenhöhle… Ich blieb noch eine Weile davor sitzen und genoss die Stimmung und die Einsamkeit dieses Ortes. Die strapazierende Reise war vergeblich, aber genau genommen, war sie abenteuerlich und spannend gewesen, auch wenn das Ergebnis bzw. der Erfolg ausbleiben musste.